In Paris hatte es kürzlich Weltpremiere.

***

Die "Genesis" nach Comic-Altmeister Robert Crumb: "Man muss wahn-sinnig sein, wenn man sie für Gottes Wort hält" , sagt er und nimmt dennoch deren Einfluss auf unsere Kultur zur Kenntnis. Foto: M. Freund

Vier Jahre lang ist Robert Crumb an seinem Zeichentisch gesessen, hat Übersetzungen verglichen, Fachbücher und Filme zu Rate gezogen, in Kreuzschraffur Faltenwürfe produziert und den Bart Gottes perfektioniert. Nun ist es vollbracht: Die Schöpfungsgeschichte der Bibel als grafisches Werk.

"Ich habe den Text wortgetreu abgeschrieben und illustriert", sagt Crumb. "Jeder kann lesen und zugleich sehen, was in der Schöpfungsgeschichte steht."

Dieser Tage wird Genesis in mehreren Sprachen, in zehn europäischen Ländern, den USA und Brasilien ausgeliefert. Korea und Japan sind interessiert. "Ein globales Phänomen!", freut sich sein französischer Verleger Jean-Luc Fromental. Auf einer internationalen Pressekonferenz im Pariser Centre Pompidou vor fast hundert Journalisten wird der amerikanische Zeichner als getreuer Exeget von Gottes Wort gefeiert.

Ausgerechnet Robert Crumb. Seit vierzig Jahren gilt er als Inbegriff der Respektlosigkeit, der Obszönitäten und auch des Gotteslästerlichen. Als Schüler schon malte der 1943 in Philadelphia Geborene sich seine Ängste vor den Klosterschwestern von der Seele. In der goldenen Ära der "Underground-Comix" in den späten Sechzigern galt er als der Beste. Vor fast 20 Jahren kehrte die Familie Crumb zwar Amerika den Rücken und ließ sich in Südfrankreich nieder, doch seine Arbeiten blieben sich im Kern treu, radikal, hinterfotzig, jeder Autorität abhold.

So verrückt ist die Bibel

Und so jemand nimmt alle Kapitel der Schöpfungsgeschichte in Angriff, ohne Ironie und Untergriffe? "Alte Mythen haben mich immer interessiert, und gezeichnet habe ich immer gerne, egal was. Außerdem hat's viel Geld dafür gegeben." 100.000 Dollar, was nicht heißen soll, dass er in der Manier vieler alternder Künstler seine Gesinnung verkauft hat. "Erstens war es, auf die jahrelange Arbeit umgelegt, gar nicht so viel. Und wenn man jeden Satz genau liest, wird einem erst klar, wie verrückt die Bibel eigentlich ist."

Das auf mehr als 200 Seiten vorzuführen hat ihm offenbar Spaß gemacht. "Die Geschichten in der Genesis kann man gar nicht satirisch übertreiben", sagt er. "Man muss wahnsinnig sein, wenn man sie für Gottes Wort hält." Man müsse andererseits zur Kenntnis nehmen, wie sehr die Storys unsere Kultur beeinflusst haben; wobei die drastischeren Episoden zumeist tunlichst ausgespart wurden. Was übrigbleibt, sind bereinigte und pseudo-modernisierte Fassungen, auch als Comicstrips für evangelikale Anfänger, die Crumb ablehnt: "Etwa: Gee, I hope Adam likes this apple. So ein Mist!"

Gottes Rauschebart sieht Crumb als notwendige Anlehnung an die Ikonografie der Kirchenkunst und des Alten Testaments, die ihn immer als Patriarchen darstellte. Die Arbeit kam ihm vor wie eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn: "Wenn man einmal in Novosibirsk ist, dann gibt es kein Zurück." Wie ein Mönch in seiner Zelle hat er vor sich hin gezeichnet, mit mühsamen Kreuzschraffuren und peniblen Details gehadert. "Ein Freund von mir im Dorf, wo wir wohnen, ein marokkanischer Jude, hat meine Zeichnungen der Zelte gesehen, hat gelacht und gesagt, die sehen aus, als wären sie im Campingladen gekauft worden." Also zeichnete er sie um. Auch achtete er darauf, dass die handelnden Personen nicht, wie gerne in der späteren christlichen Tradition, blauäugig und blond auftreten, sondern quellentreu arabische und semitische Physiognomien haben.

Zu einer Gratwanderung wurden die gewalttätigeren und sexuell expliziten Stellen der Genesis. "I had to show some pretty nasty shit." Er habe versucht, nichts herunterzuspielen, aber auch nichts wirklich Obszönes zu Papier zu bringen - schließlich soll sich das Buch, anders als seine Zap Comics, sein Fritz the Cat und Mr. Natural, über dem Ladentisch verkaufen. In Amerika klebt der Vermerk "Adult supervision of minors recommended" - "damit die Polizei nicht den Buchhändler verhaftet".

Froh ist er schon, dass es vorbei ist. "Ich habe einen Teil meiner Karma-Schulden bezahlt. Ob ich dadurch erlöst bin? Weiß ich nicht." Den Rummel um R. Crumb, den großen Künstler, sieht er mit einer Mischung aus Gelassenheit, Amüsement und Zynismus. Ein Sammler bot ihm drei Millionen Dollar für die Originalzeichnungen. "Nun ja, nicht schlecht. Andererseits bekommt Cy Twombly für ein paar Bleistiftstriche fünf Millionen, vielleicht sollte ich also acht oder zehn verlangen. Aber der Sammler hat eh in der Krise viel verloren, der Deal ist abgeblasen."

Dass er seit Jahren von der Hochkultur umarmt wird, hält er für ein lukratives Missverständnis. Die Szene nimmt ihn ernst, vor allem in Frankreich mit seinem Bandes dessinées-Kult. "Sie zum Beispiel sind extra meinetwegen nach Paris gereist gekommen." Andererseits hat das auch sein Gutes: "Es bedeutet mehr Geld." Nicht dass er es braucht, er lebt, isst und kleidet sich extrem bedürfnislos. Doch wer weiß, vielleicht ist es für spätere Generationen gut: Kurz nach der Pressekonferenz wurde Robert Crumb Großvater. (Michael Freund, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 17./18.10.2009)