Mehr Effizienz, mehr Strenge: Norbert Darabos (SP) und Maria Fekter (VP) bei der Verkündung der geplanten Asylgesetznovelle.

Müller-Funk: "Politik der harten Hand ist kontraproduktiv."

Foto: Heribert Corn/Der Standard

Dass das "Ausländerthema" eine nicht enden wollende Geschichte darstellt, ist nicht zu übersehen, und der Verdacht drängt sich auf, dass es auch deshalb am Leben erhalten wird, weil sich damit politisches Kleingeld lukrieren lässt. Die radikale Rechte in diesem Land benötigt auf perverse Weise die Fremden, um die dadurch geschürte Angst auf ihre politischen Mühlen zu leiten. Und es gibt politische Grüppchen, die wiederum diese Rechte brauchen, um zu wissen, wer sie sind.

Mag es unter den in Österreich lebenden Menschen mit nicht-österreichischer Herkunft solche geben, denen es schwerfällt, in den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten in ihrer neuen Heimat anzukommen, sich in ihr einzufinden, so fällt doch die Last der Verantwortung auf jene Parteien, die eine halbherzige Integrationspolitik mit einer hartherzigen Asylpolitik verbinden, um so eine Abwanderung ihrer Wählerschaft zu stoppen. Das aber ist eine trügerische Hoffnung: Die Ängste essen nicht nur die Seelen auf, sondern untergraben die Zivilgesellschaft.

Wie anders lässt es sich sonst erklären, dass die Wiener Sozialdemokratie die positiven Seiten ihrer "Ausländerpolitik" vor ihrer Wahlklientel eilfertig versteckt - etwa Mediation in einschlägigen Bezirken mit hohem "Ausländer"anteil oder eine Zeitung für Menschen mit Migrationshintergrund? Warum verschweigt die allgemeine Rhetorik, dass es sich bei vielen dieser Menschen um österreichische Staatsbürger handelt, denen ebenso wie jenen mit österreichischer Herkunftsgeschichte Bürgerrechte und staatliche Unterstützung zustehen? Warum werden diese Bürger, mit oder ohne österreichischen Pass, nicht in das "Wir" eingebunden?

Weil die offizielle Politik Angst vor jenen hat, die Angst vor dem Fremden und Anderen haben. Anstatt also der Bevölkerung reinen Wein einzuschenken, ihr zu sagen, dass unter den gegebenen weltpolitischen Bedingungen Migration unvermeidlich und rein bevölkerungspolitisch notwendig ist und dass diese Menschen aus der östlichen Hälfte Europas, aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten symbolisch wie ökonomisch durchaus von Nutzen für das Land sind, wird die Illusion genährt, man könne das Problem durch eine Politik der harten Hand lösen.

Der Umgang mit dieser politischen Herausforderung stellt auch eine Nagelprobe für die Qualität einer Zivilgesellschaft dar, und da schneiden wir international, genauso wie in anderen Bereichen, höchst mittelprächtig ab. Die Regierungsparteien, voran die Sozialdemokratie, verspielen aus Angst vor den Ängstlichen eines der kostbarsten Güter der Politik: Glaubwürdigkeit. Der Populismus und das Schielen auf Umfragen unterminieren nicht nur im Hinblick auf die "Ausländerpolitik" die Würde des Politischen: Ideen, Programme, Wertsetzungen.

Das kurzsichtige Kalkül, populistische Parteien rechts zu überholen, verfängt nicht. Das mussten schon Erich Haider und Gabi Burgstaller bei ihren Wahlkämpfen erfahren. Entgegen eilfertiger Medienkommentare macht es nur jene stärker, die von der Panik der "Bodenständigen" profitieren wollen. Demgegenüber hat der bürgerlich-konservative Landeshauptmann in Vorarlberg, der sich im Wahlkampf von den schamlosen antisemitischen Ausritten eines Mitbewerbers distanzierte, die Wahlen deutlich gewonnen.

Bedauerlicherweise wird dieser simple Tatbestand nicht zu der Einsicht führen, dass es sich nicht lohnt, mit der Angst Politik zu machen, anstatt eine sichtbare, konsequente Integrationspolitik zu wagen, vom Stützunterricht bis zur Repräsentation "fremder" Menschen in Gesellschaft, Medien, Sport, Kultur und Politik. Schließlich hat Österreich aufgrund seiner imperialen Vergangenheit Tradition und Erfahrung mit Mehrstimmigkeit und kultureller Vielfalt. Nur die effiziente Einbeziehung auch schwierigerer Migrantengruppen kann diese Angst besänftigen. Xenophobie vermag das eben gerade nicht.

Der Ausritt eines deutschen Sozialdemokraten gegen die türkische Minderheit in Berlin (vgl. Standard vom 10. 10.) wird all jene hierzulande bestätigen, die schon immer gewusst haben, dass man "den" Ausländern die Daumenschrauben ansetzen muss, bis sie so österreichisch sind, dass nicht einmal Herr Strache und seine Mannen sie als "Fremdkörper" dingfest machen können. Was an den Vorwürfen des ehemaligen Berliner Finanzsenators triftig sein mag, wäre allenfalls, vom rassistischen Zungenschlag abgesehen, diskutabel, wenn hierzulande, wie in Deutschland, entsprechende Anstrengungen unternommen worden wären, Menschen, die zu uns gekommen sind, eine zweite Heimat zu bieten. So aber bestätigt der Ausfall Thilo Sarrazins nur jene, die eine solche Politik fahrlässigerweise unterlassen wollen und ihre Gegner als "Gutmenschen" verunglimpfen.

Der spanische Philosoph Ortega y Gasset hat einmal im Hinblick auf den Pazifismus geschrieben, dass die Erreichung des Friedens eine schwierige Herausforderung darstellt, die seine Wortführer hervorheben sollten. Ähnliches lässt sich auch für eine antixenophobe "Ausländerpolitik" sagen: Sie mag zuweilen schwierig sein, ist aber unverzichtbar. - Womit ich bei einem zusätzlichen Anlass für diesen Kommentar angekommen wäre: dem zehnten Geburtstag von Zara (die Abkürzung steht für "Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit").

Ich habe deren Vertreter vor einigen Jahren bei einer Podiumsdiskussion kennengelernt. Was mir dabei positiv auffiel, war die unverwechselbare Verbindung von Radikalität und Realitätssinn. Im Mittelpunkt dieser NGO steht das Wissen um die Mühen der Ebene, die Erkenntnis, dass es sich um einen langen Weg der Erkenntnis handelt, der die Kontroverse auch mit radikalen Rechten, Hilfe zur Selbsthilfe und Selbstverantwortung sowie den Dialog mit den verängstigten Menschen vor Ort einschließt.

Es ist kurzsichtig, dem Bild des hässlichen Ausländers das verklärte des edlen Fremden entgegenzustellen, vielmehr geht es um die Zukunft und die Entwicklung einer Zivilgesellschaft, die von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bedroht ist. Um die Herstellung einer Selbstverständlichkeit, die zugleich eine Herausforderung darstellt und in der es keine Vertretungspolitik gibt, auch wenn die Menschen mit fremder Herkunft bei Zara eine Stimme bekommen. Angesichts der oben beschriebenen Ängstlichkeit steht indes zu befürchten, dass wir NGOs wie Zara noch mindestens weitere zehn Jahre benötigen werden. Zielstrebige Integrationspolitik ist wie in Ökologie und Medizin kluge Vorsorge, Prävention. (Wolfgang Müller-Funk*, DER STANDARD Printausgabe, 17./18.10.2009)