Die beiden Preisträger Jürgen Knoblich (links) und Gerhard Widmer

Foto: Matthias Cremer

Wien - Beim Nobelpreis sind wir heuer zwar zum 35. Mal in Folge leer ausgegangen. Immerhin waren im Vorfeld aber zwei aus Österreich stammende Wissenschafter als ernsthafte Kandidaten genannt worden. Tatsächlich gibt es einige Forschungsfelder, in denen heimische Forscher zur Weltspitze zählen - wie etwa in der Quantenphysik, einigen Bereichen der Mathematik oder der Lebenswissenschaften.

Es gibt aber auch Forscher, die in ihrem Gebiet so etwas wie "Weltspitzenreiter" sind - wie der Zellbiologe Jürgen Knoblich oder der Informatiker Gerhard Widmer. Zu diesem Urteil kam zumindest eine international zusammengesetzte Jury unter der Leitung der Harvard-Wissenschaftsforscherin Sheila Jasanoff, welche Knoblich und Widmer zu den diesjährigen Wittgensteinpreisträgern kürte.

Diese seit 1996 vergeben Auszeichnung ist so etwas wie der "Austro-Nobelpreis" , wenn auch mit einigen wichtigen Unterschieden: Die Preisträger erhalten zwar mehr Geld, nämlich 1,5 Millionen Euro. Doch diese Summe ist in den nächsten sechs Jahren in Forschung zu investieren. Für Wissenschaftsminister Johannes Hahn wird mit dem Preisgeld damit auf der Basis des bisher Geleisteten "ein Versprechen für die Zukunft abgegeben" , wie er bei der Preisverleihung am Montag formulierte.

Jürgen Knoblich forscht heute am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dort und am Schwesterinstitut IMP gelangen dem aus Bayern gebürtigen Molekularbiologen auch seine bahnbrechenden Arbeiten zur asymmetrischen Zellteilung in Stammzellen. Mit seiner insgesamt 19-köpfigen Arbeitsgruppe konnte er bei Fruchtfliegen den Prozess, bei dem aus einer Stammzelle einerseits wieder eine Stammzelle und andererseits eine spezialisierte Zelle entsteht, vollständig aufklären. Was anwendungsfern klingt, hat enorme medizinische Bedeutung, da diese asymmetrische Zellteilung eine wichtige Rolle bei der Tumorentstehung bzw. bei Krebsstammzellen spielt.

Auch in den preisgekrönten Arbeiten von Gerhard Widmer, der an der Uni Linz arbeitet, liegen Grundlagenforschung und Anwendung mittlerweile eng beisammen, obwohl es zu Beginn ganz anders aussah: Widmer arbeitet an neuen intelligenten Computermethoden zur Musikerkennung. Dabei geht es nicht nur um die Analyse der Interpretation von Musikstücken, sondern auch um Algorithmen, die riesige digitale Musiksammlungen nach bestimmten Kriterien durchsuchen und ordnen können - und auch schon kommerziell eingesetzt werden.

Neben den neuen Wittgensteinpreisträgern wurden am Montag auch sechs Nachwuchsforscher mit den Startpreisen ausgezeichnet, deren Arbeit ein ganz besonderes "Versprechen für die Zukunft" darstellt: die Physikerin Francesca Ferlaino (Uni Innsbruck), die Mathematikerin Ilse Fischer (Uni Wien), der Gastroenterologie Arthur Kaser (Med-Uni Innsbruck), der Mathematiker Manuel Kauers (Uni Linz), der Physiker Thorsten Schumm (TU Wien) sowie der Zellbiologe David Teis (Med-Uni Innsbruck).  (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 20. 10. 2009)

-- > Die START-Preise

Die START-Preise 2009

Sechs Nachwuchsforscher erhalten heuer "Start-Hilfe" für ihre Forschungsarbeiten und den Aufbau ihrer eigenen Arbeitsgruppen über die Auszeichnung mit der höchst dotierten Nachwuchsförderung des Landes, dem START-Preis. Zwei Wissenschafterinnen und vier Wissenschafter werden in den nächsten sechs Jahren mit bis zu 1,2 Millionen Euro unterstützt, wie am Wissenschaftsminister Johannes Hahn am Montag gleichzeitig mit den Wittgenstein-Preisträgern 2009 bekanntgab. Die Projekte sind in den Naturwissenschaften angesiedelt.

Francesca Ferlaino, geboren am 23. Dezember 1977 in Neapel (Italien), forscht derzeit am Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck. Die Physikerin beschäftigt sich mit Quantengasen, die außergewöhnliche Eigenschaften haben und daher ideale Möglichkeiten bieten, um grundlegende Fragen der Physik im Detail zu studieren. Nun wird sie ein neues, exotisches Element für Experimente mit quantenentarteten Gasen und stark korrelierten Systemen verwenden: Erbium, ein sehr seltenes und bisher wenig beachtetes Metall. Damit sollen neue Einblicke in die komplexen Wechselwirkungseigenschaften stark korrelierter Systeme ermöglicht und neue Ansatzpunkte für die Untersuchung des Quantenmagnetismus mit kalten Atomen gefunden werden.

Manuel Kauers, geboren am 20. Februar 1979 in Lahnstein (Deutschland), ist als Forschungsassistent am Research Institute for Computation der Uni Linz tätig. Der Mathematiker sucht nach schnellerer Computeralgebra für spezielle Funktionen: Eine Reihe von mathematischen Fragestellungen können heute von Computerprogrammen erledigt werden, doch die dabei zum Einsatz kommenden Verfahren sind sehr rechenintensiv. Hier will Kauers, der sich heuer habilitierte, alternative Computerverfahren finden, welche die gleichen Probleme mit weniger Rechenoperationen lösen können.

Thorsten Schumm, geboren am 20. April 1975 in Berlin (Deutschland), forscht derzeit als Uni-Assistent und Gruppenleiter am Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien. Ziel seines Projekts ist die Demonstration einer "nuklearen Atomuhr". Derzeit werden als Taktgeber angeregte Atom-Hüllen etwa des Elements Cäsium eingesetzt. Schumm möchte stattdessen Thorium-Kerne verwenden, was nicht nur die Genauigkeit um Größenordnungen erhöhen, sondern auch den apparativen Aufwand für die Atomuhren verringern würde. Angeregte Kerne müssten weniger abgeschirmt werden als Atomhüllen.

Der Österreicher David Teis, geboren am 6. Jänner 1975 in Graz, ist als Uni-Assistent und Gruppenleiter im Bereich Zellbiologie am Biocenter der Medizinischen Universität Innsbruck tätig. Der Mikrobiologe beforscht die Fähigkeit von Zellen, sich ihrer Umgebung anzupassen. Dafür müssen an der Zelloberfläche sitzende Rezeptoren abgebaut werden. Eine wichtige Rolle im Abbauprozess spielt dabei der sogenannte ESCRT-Protein-Komplex, der bei Fehlfunktion schwerwiegende Erkrankungen wie Krebs auslösen kann. Teis und seine Gruppe wollen nun die molekularen Mechanismen aufklären, welche die Aktivität dieser Protein-Komplexe steuern und letztendlich den Abbau von Oberflächen-Rezeptoren kontrollieren.

Die Mathematikerin Ilse Fischer wurde am 29. Juni 1975 in Klagenfurt geboren. Nach ihrem Studium war sie zuerst an der Uni Klagenfurt tätig, seit 2004 ist sie Assistentin an der Uni Wien. Ihr Fachgebiet ist die Entwicklung von effizienten Abzählmethoden, wie sie etwa für bestimmte Molekülanordnungen benötigt werden. Fischer möchte Klarheit in die bisher ungelöste Frage bringen, in welchen Fällen relativ einfache Formeln für Abzählprobleme entwickelt werden können.

Aus Linz stammt Arthur Kaser, der am 1. Mai 1973 geboren wurde. Nach dem Studium der Medizin in Innsbruck, Fachausbildung und Habilitation ist er seit 2003 als außerordentlicher Professor an seiner Stammuniversität tätig. Er arbeitet an den molekularen-genetischen Ursachen von chronischen Darmentzündungen, etwa Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Im Detail konnte Kaser zeigen, wie Stress des Endoplasmatischen Retikulums (ein verzweigtes Kanalsystem innerhalb der Zelle, Anm.) Entzündungen hervorrufen kann. (APA/red)