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Foto: APA/Neubauer

Am allerliebsten hört Gerhard Widmer die Klaviersonaten von Beethoven. Einen bevorzugten Interpreten hat er nicht. Für manche Sätze bevorzugt er Friedrich Gulda, für andere Alfred Brendel oder andere Pianisten.

Paradoxerweise ist just jener Beethoven daran schuld, dass aus dem gebürtigen Vorarlberger selbst kein Musiker wurde, sondern einer der weltweit führenden Experten für die algorithmische Erforschung der Musik. Und genau dafür ist der 48-jährige Informatik-Professor an der Universität Linz am Montag mit einem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet worden, dem mit 1,5 Millionen Euro dotierten "Austro-Nobelpreis".

Mitten in der Pubertät schmiss das "Vorarlberger Wunderkind" nämlich just wegen der Beethovensonaten, die ihn damals "nur noch nervten", die von seinem Klavierlehrer geplante Pianistenkarriere hin, wandte sich kurz dem Jazz zu und studierte "eher zufällig" Informatik an der TU Wien.

Nach Abschluss des Studiums mit Auszeichnung machte er zunächst einen Master an der University of Wisconsin, wo er dann auch wieder kurzzeitig zum Jazzpiano zurückfand. Nach einem Doktoratsstudium wiederum an der TU Wien war aber die weitere Karriere als Forscher besiegelt.

Ihr bisheriger Höhepunkt: der Wittgenstein-Preis, den Widmer für seine bahnbrechenden Arbeiten an der Schnittstelle von Künstlicher Intelligenz und Musik erhielt.

Diese Forschungen begannen zunächst eher esoterisch: Es ging Widmer um die Analyse der Interpretation von Musikstücken durch einen Künstler und als Nebeneffekt um die Fähigkeit von Computern, Musik wie große Meister zu interpretieren.

Durch die rasante Digitalisierung der Musikwelt wurde Widmer freilich zu einem internationalen Pionier für Algorithmen, mit deren Hilfe man riesige digitale Musiksammlungen nach bestimmten Kriterien durchsuchen und ordnen kann. Eines der Patente seiner Gruppe ist auch in der neuesten Hi-Fi-Anlage von Bang & Olufsen im Einsatz.

Musik ist für den Vater eines neunjährigen Sohns neben dem wissenschaftlichen Forschungsobjekt immer noch Hobby - "auch wenn mir die Zeit und die Nerven fehlen, um als Pianist vor Menschen aufzutreten". Seine Forschungen sind für ihn dabei alles andere als eine Entzauberung der Musik: "Die Beethoven-Klaviersonaten werden noch schöner und machen noch glücklicher, wenn man mehr über ihre Konstruktion weiß." (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 20. 10. 2009)