Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie einen Bettler, eine Bettlerin sehen? Empfinden Sie schlechtes Gewissen? Fühlen Sie sich bedrängt? Sehen Sie das Abendland untergehen? All diese Reaktionen hat die Bettlerdiskussion in Österreich bereits durchlaufen. Die Maßnahmen reichen von - nachvollziehbaren - Verboten des Bettelns mit Kindern hin zur Untersagung schlichten Handaufhaltens im steirischen Fürstenfeld, das vom Verfassungsgerichtshof im Jänner 2008 aufgehoben worden ist. Jetzt sorgt eine Durchsage in der Wiener U-Bahn erneut für Gesprächsstoff:

"Viele Fahrgäste fühlen sich durch organisiertes Betteln in der U-Bahn belästigt. Wir bitten Sie, dieser Entwicklung nicht durch aktive Unterstützung Vorschub zu leisten, sondern besser, durch Spenden an anerkannte Hilfsorganisationen zu helfen. Sie tragen dadurch zur Durchsetzung des Verbots von Betteln und Hausieren bei den Wiener Linien bei", heißt es da: Eine "irritierende" Ansage, die gestoppt werden sollte, meinen Vertreter einer neuen, von der Straßenzeitung Augustin, Künstlern, Sozialarbeitern und Studenten gegründeten BettelLobby – während die Verkehrsbetriebe von "sanftem Druck" auf die Bettler sprechen.

"Sanft" ist dieser Druck insofern, als die Öffi-Hausherren den Bettlern nicht gleich mit exekutiven Konsequenzen kommen. Nicht selbstverständlich hingegen ist der Ausdruck "organisiertes Betteln": Trifft das laut Verkehrsbetrieben auf jeden U-Bahn-Bettler zu? Und was sagt das über den Grad seiner Bedürftigkeit aus? Gegen das Belästigungsgefühl bei Fahrgästen wiederum mag folgender Klarstellungsversuch helfen: Wer bettelt, hofft auf Geld, muss aber genauso damit rechnen, keines zu erhalten. Somit ist auch niemand gezwungen, zu geben. Doch die Wahrnehmung, dass es arme Menschen und Elend gibt, wird Stadtbenutzern wohl noch zuzumuten sein.

Irene.Brickner@derStandard.at