Mesut Tunc - türkisches Folteropfer, anerkannter Flüchtling in Deutschland sowie der Schweiz, und dennoch in Österreich auf Initiative der türkischen Verfolgerbehörden per Internationalem Haftbefehl hinter Gitter gebracht – ist am Freitag nach zwei Wochen aus dem Gefängnis in Wels wieder freigelassen worden. Das ist eine gute Nachricht und beweist, dass die zuständige österreichische Untersuchungsrichterin menschenrechtliches Verständnis hat. Weniger positiv fällt die Bilanz dieser Affäre, die für den nach Hungerstreiks in türkischen Kerkern schwerkranken 31-Jährigen auch fatal hätte ausgehen können, in Hinblick auf die gesamteuropäische Asylpolitik aus: Einer Politik, die wiederum den konzertierten Willen der einzelnen Länder ausdrückt – um hier die Staaten nicht aus der Pflicht zu nehmen.

Ein vergleichender Blick auf den Fall Zogaj veranschaulicht das Problem: Viel Juristenhirnschmalz fließt hier derzeit in die Beantwortung die Frage, wo – in Österreich oder in Ungarn - die Familie den Ausgang ihrer neuerlichen Asylverfahren abwarten soll. In Österreich habe das tunlichst nicht zu sein, wünscht Innenministerin Maria Fekter und kann sich dabei auf Teile der in der Europäischen Union geltenden Dublin-ll-Verordnung berufen. Laut dieser werden jährlich tausende Flüchtlinge von Land zu Land geschoben, weil Europa beim Asylwerbermanagement kooperiert. Während es bei den Rechten von Flüchtlingen auslässt, selbst wenn diese bereits Asyl zuerkannt bekommen haben: Der "internationale Schutz" laut Genfer Flüchtlingskonvention gilt jeweils nur in dem zuerkennenden Staat.

Verlässt also ein anerkannter Flüchtling sein Asylland, so ist er vor Zugriffen des politischen Verfolgers aus der früheren Heimat nicht immer sicher. So wie es außer Tunc in den vergangenen Jahren zwei weiteren türkischen Kurden widerfahren ist, die in der Schweiz Asyl haben, aber bei kurzen Auslandsaufenthalten in Deutschland und Slowenien auf türkisches Betreiben inhaftiert wurden. Einer der Betroffenen saß 70, der andere gar 100 Tage lang. Um Derartiges künftig zu verhindern, sollte im europäischen Zusammenhang die Aufwertung von Flüchtlingsrechten ein Thema sein, selbst wenn dies angesichts der politischen Realitäten fast illusionär erscheint. Weil so, wie die Sache jetzt läuft, wird mit verschiedenem Maß gemessen.

Irene.Brickner@derStandard.at