Eine Beziehung zu haben – und meist auch Kinder - ist für das Großteil aller Menschen sehr wichtig. Wer ohne Partner oder ohne Nachwuchs ist, empfindet das früher oder später vielfach als Manko. Doch das Recht auf Familie – menschenrechtlich sogar verbrieft - wird in Österreich gesellschaftlich offenbar nicht jedem und jeder zuerkannt, wie die Grazerin Isa Gruaz in ihrer erziehungswissenschaftlichen Dissertation herausgefunden hat.
Behinderte Frauen, so schreibt sie, bleiben "mit ihren Bedürfnissen nach Geborgenheit, Zärtlichkeit und sexueller Lust oft allein". Allein die Vorstellung, dass sie Sexualität leben könnten, stoße viele Nichtbehinderte ab. Und im Fall einer Schwangerschaft werde behinderten Frauen "meist geraten, die Schwangerschaft abzubrechen oder das Baby zur Adoption freizugeben".

Wem das zu einseitig und zu apodiktisch klingt, der nehme sich bitte selbst bei der Nase und vergegenwärtige sich – zum Beispiel - eine junge Frau mit Down-Syndrom, die ihr Kind selbst aufzieht. Schwer vorstellbar? In Österreich leider schon, weil es nur in Einzelfällen adäquate Hilfs- und Förderangebote für eine solche Frau und ihr Kind gibt: Aufsuchende soziale Dienste etwa oder geeignete Mitwohnmodelle - wie zum Beispiel in Schweden.

Auch Role Models beruflich erfolgreicher Frauen, die im Rollstuhl sitzen oder sonst wie behindert sind, sind in Österreich dünn gesät: Die, die es schaffen, sind beachtenswerte Einzelkämpferinnen, aber der Normalfall ist es nicht. Es ist, wie Gruaz in ihrer Dissertation schreibt, hoch an der Zeit für taugliche Antidiskriminierungsbestimmungen. Und für ein Brechen der Tabus, das Frauen mit Behinderungen besonders einschränken.

Irene.Brickner@derStandard.at