Wolfgang Weisgram sprach darüber mit Vorstandsdirektor Reinhard Schweifer.
Standard: Die Begas baut in Heiligenkreuz eine Müllverbrennungsanlage. Darf man das sagen, oder muss man das "thermische Reststoffverwertung" nennen? Da war die Begas ja in der Vergangenheit etwas haarspalterisch.
Schweifer: Wenn jemand Müllverbrennungsanlage dazu sagt, dann steht ihm das frei. Allerdings muss ich schon den Unterschied betonen. Bei der thermischen Reststoffverwertung werden ausgesuchte Reststoffe verbrannt. Bei einer Müllverbrennung wird alles unsortiert verbrannt wird.
Standard: Die Anlage soll Energie erzeugen. In welcher Größenordnung?
Schweifer: Ungefähr 13 Megawatt elektrisch und 50 Megawatt thermisch. Damit können wir nicht nur das bestehende Lyocell-Werk versorgen, sondern haben noch Reserven für den ungarischen Teil des Industrieparks und die Stadt Szentgotthárd.
Standard: In Ungarn sorgt die Anlage für etwas Irritation. Warum will man unbedingt direkt an der Grenze bauen?
Schweifer: Nicht, weil Ungarn daneben liegt, sondern weil die Abnehmer da sind. Man darf solche Anlagen nur noch dort bauen, wo ganzjährig die Wärmeenergie abgenommen wird. Die Faserproduktion von Lenzing benötigt das ganze Jahr Dampf und Strom. Und das produzieren wir.
Standard: Notwendig sind dafür rund 350.000 Jahrestonnen Müll. Im Burgenland fällt ein Zehntel davon an. Wo also hernehmen?
Schweifer: Das ist ein Maximalwert. Im Durchschnitt werden es rund 225.000 sein. Im Burgenland haben wir cirka 40.000 Tonnen Restmüll und noch einmal soviel Klärschlamm. Der Rest wird aus einem Umkreis von 100 bis 150 Kilometern dazugeliefert.
Standard: Heiligenkreuz als Zentrum des Mülltourismus?
Schweifer: Es wird keinen Mülltourismus in dem Sinn geben, dass Müll kreuz und quer durchs Burgenland geführt wird. Und mehr als 80 Prozent gehen über die Bahn. Wir investieren da ja fünf Millionen Euro. Tourismus wird es nur in dem Sinn geben, dass viele internationale Fachleute kommen werden, um sich diese Anlage anzuschauen.
Standard: Verpflichtet hat sich die Begas aber nicht zur Eisenbahn?
Schweifer: Das verhindern ja eigentlich die Gegner der Anlage.
Standard: Wie das?
Schweifer: Weil sie immer wieder androhen, dass sie sich auf die Schienen legen. Wenn aber der Bahnverkehr unterbrochen wird, müssen wir mit dem Lkw liefern.
Standard: Zugute kommen soll die Energie nur dem Industriepark, oder auch den umliegenden Gemeinden?
Schweifer: Auf österreichischer Seite haben wir nicht wirklich einen Bedarf. Szentgotthárd hat veraltete Fernwärmeanlagen. Da wäre eine Möglichkeit, hier Fernwärme einzuspeisen, um die Gesamt-Emissionsbilanz der Gegend zu verbessern.
Standard: Eher unrealistisch. Auch in Ungarn müssen Bürgermeister ja gewählt werden.
Schweifer: Im nächsten Jahr sind Wahlen, bei denen unser Werk sicher ein Thema sein wird. Danach wird man weitersehen.
Standard: Wann steht die Anlage?
Schweifer: Je nach Gang des UVP-Verfahrens. Wir sind jetzt in der zweiten Instanz. Aber 2013 sollten wir in Betrieb gehen können. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD Printausgabe, 21.10.2009)