Seit Dienstag ist - auch von aussen sichtbar - die Akademie der bildenden Künste besetzt.

Foto: derStandard.at/Pumberger

"Education is not for sale"- Die Protestierenden stellen sich gegen die Ökonomisierung der Bildung.

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Ein großes Plakat ziert die Säulenhalle. Manche Lehrveranstaltungen wurden in den offenen "Freiraum" verlegt.

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"Dass es ein Junktim geben soll zwischen der Durchsetzung von Bachelor und Master und der Finanzierung ist ein womöglich gezielt gestreutes Gerücht", so der Professor Diedrich Diederichs. Dieses solle bewirken, dass die Hochschule in die Situation kommt, "ein Wohlverhalten an der Bachelor-/Master-Front, könne die Kürzung verhindern."

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Normalerweise werden leerstehende Häuser besetzt. In Wien haben Studierende ihre Universität in Beschlag genommen. Die Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz - genauer gesagt die Säulenhalle - ist seit Dienstag von ÖH und Senat besetzt. Schon von außen ist ersichtlich: Hier wird protestiert. Schillers Statue in der Mitte des Platzes ist umringt von großflächigen Dollar- und Euro-Zeichen am Asphalt, ein Transparent - „Education is not for sale" - hängt über dem Eingang. Die drohende Ökonomisierung der Bildung soll abgewendet werden. Nicht, weil Kunst und Ökonomie sich nicht vertragen - ein Student verweist in diesem Zusammenhang auf den kapitalistischen Kunstmarkt - sondern weil durch das Bologna-System der gesamte Bildungsbereich zu "arbeitsmarktorientierten Ausbildungsstätten" degradiert werden soll - heißt es in der Petition der Organisatoren der Akademie-Besetzung. Der Slogan "Malen nach Zahlen" ziert Johannes Hahns Konterfei die Plakate.

Säulenhalle zum "Freiraum" erklärt

Am heutigen Donnerstag steht diesbezüglich für die Akademie ein wichtiger Termin an. Rektorat und Ministerium wollen sich auf neue Leistungsvereinbarungen einigen, Budgetkürzungen werden von Studenten und Lehrende erwartet. Die Säulenhalle der Akademie wurde zum "Freiraum" und Zentrum der Besetzung in Akademie-Gebäude erklärt. Auch die Nacht wurde von einigen Studierenden hier verbracht. Hier wird diskutiert und geraucht, Plakat zieren die Wände und für Kaffee ist gesorgt. Zu Mittag durchzieht die Halle der Geruch von Suppe, eine sogenannte "Volxküche" versorgt die Protestierenden. Lehrveranstaltungen wurden teilweise in die Säulenhalle verlegt und „an die aktuelle Situation angepasst", so der ÖH-Vorsitzende René Stessl. Es ist ein friedlicher, geduldeter und von vielen Seiten mitgetragener Protest. Selbst zu Beginn der Besetzung traten keine Zwischenfälle auf.

"Bologna" und finanzielle Kürzungen

Neben den finanziellen Kürzungen scheint die Einführung Bologna-konformer Bachelor- und Master-Studiengänge für die am Protest Beteiligten am bedrohlichsten. Während der Diskussionsrunden gehen immer wieder Studierende, die gerade aus Lehrveranstaltungen kommen, durch die zentral gelegene Säulenhalle. Eine "Workshop"-Teilnehmerin ruft ihnen zu: "Ihr seid alle direkt betroffen!", ein paar mehr gesellen sich zu der Runde. Auch Lehrpersonal hat sich eingefunden. Sie diskutieren mit den Studierenden und nicht gegen sie, die Positionen sind ähnlich, Lehrende wie Studierende sind von den bevorstehenden Änderungen betroffen.

"Weitgehende Unterstützung" durch die Lehrenden

„Weitgehend wird die Aktion von den Lehrenden unterstützt. Auch der Senat hat ja gestern erklärt, dass er mit den Aktionen solidarisch ist", so Diedrich Diederichsen, Professor am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften. Der Entwicklungsplan, den der Senat der Akademie beschlossen hat und der keine Neueinführung von Bachelor- und Masterstudiengängen vorsieht, solle - so die Meinung des Senats - umgesetzt werden. Bei dem Treffen zwischen Rektorat und Ministerium gehe es aber vorrangig um die Finanzierung der Akademie. "Dass es ein Junktim geben soll zwischen der Durchsetzung von Bachelor und Master und der Finanzierung ist ein womöglich gezielt gestreutes Gerücht", so Diederichsen. Dieses solle bewirken, dass die Hochschule vermutet, "ein Wohlverhalten an der Bachelor-/Master-Front könne die Kürzung verhindern." Diederichsen sieht das Bachelor-Master-System nicht nur für die Kunstakademie als Problem.

Ein Großteil seiner Kollegen und der Studierenden lehne es wegen „grundsätzlichen" Problemen ab. „Man kann aber argumentieren, dass es für Kunstakademien besonders ungeeignet ist und dass ja auch in Deutschland die Kunstakademien vom Bologna-Prozess ausgenommen worden sind. Nur sollte man das nicht im Namen eines Kunstbegriffs, der Kunst für das komplett Andere hält, tun. Man sollte es unter der Bezugnahme tun, dass diese Maßnahmen grundsätzlich für keine Form der Lehre nützlich sind. An Kunst kann man vielleicht auch in einer öffentlichkeitswirksamen Weise deutlich machen, dass es nicht funktioniert", sagt Diederichsen im Gespräch mit derStandard.at.

"Erpressung" und "Druck"

Tobias Dörler, der den Stand der ÖH am Akademie-Eingang betreut, sieht auch bei den meisten Studierenden ein wachsendes Bewusstsein und Interesse. Es sei eine „Erpressung", die sich auch auf Studierende, die keine Änderungen im Studiensystem zu befürchten haben, auswirke (Gemeint ist der Verdacht, eine bessere Leistungsvereinbarung sei mit einer Zusage zum Bachelor-/Master-System möglich, Anm.). Man versuche möglichst viel „Druck" zu machen, damit Rektor Stephan Schmidt-Wulffen auf Seite der Studierenden stehe. Seine Position ist bei den teilnehmenden Studierenden mehr als unklar.  „Der Rektor ist schon ein paar mal hin und her gesprungen. Er ist halt dazwischen. Auf der einen Seite gibt es Hahn, der finanziell Druck macht, auf der anderen Seite gibt es die Studierenden und auch die Lehrpersonen hier im Haus, die sagen, dass sie es so nicht wollen."

Eine Studentin sagt zu den Beweggründen der Protestform: "Bei einer Besetzung geht es um mehr, nicht nur um Bachelor und Master, sondern darum sich einen Raum zu nehmen und die Universität für sich selbst zu reklamieren". Das Top-Down-Prinzip der Entscheidungen soll so durchbrochen werden.

Die Besetzung der Akademie der bildenden Künste mahnt das ein, was im Bildungsbereich oft nicht mehr selbstverständlich ist: Die Beteiligung der Studierenden und Lehrenden an der Schaffung ihrer Lern- und Lehrbedingungen. Die Besetzung soll heute zu Ende gehen. Ebenfalls für den heutigen Donnerstag sind Protestmaßnahmen geplant. Am Vormittag wollen die Studierenden vor dem Wissenschaftsministerium demonstrieren. Ab 12 Uhr  findet unter dem Titel "Die Uni brennt!" ein Demonstration im Sigmund-Freud-Park vor der Votivkirche statt. (Sebastian Pumberger, derStandard.at, 22.10.2009)