Alev Korun: Windige Begründungen für Verschärfungen

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Wann haben Sie zuletzt das Wort „Asyl" gehört ohne die Begleitwörter „Missbrauch" oder „kriminell"? Lange her, oder? Eben das ist das Hauptproblem beim Thema: Die, die geflüchtet sind und Schutz brauchen, kommen in den politischen Debatten kaum mehr vor. Ständig geht es nur noch um die, die „Asyl missbrauchen wollen", die, „die kriminell werden". Nur: Für Letztere gibt es das Strafgesetz und für Erstere gilt: Wer keine Asylgründe hat, bekommt kein Asyl.

Warum also dieses ständige Gerede von Missbrauch? Weil man damit von den echten Problemen echter Flüchtlinge gut ablenken kann. Zum Beispiel, dass der Staat keine unabhängige Rechtsberatung mehr unterstützt, weshalb sich Asylwerber gegen Entscheidungen der Asylbehörden nicht mehr wehren können. Verfahrensbeschleunigung heißt das dann im Fekter'schen Vokabular. Klar, dann geht es schneller. Der Rechtsstaat ist nur lästig. Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder dahergelaufene Asylwerber sich das Recht herausnimmt, seine Rechte einzuklagen? Wenn er oder sie traumatisiert ist, vergewaltigt oder gefoltert wurde und es nicht auf Anhieb schafft, das den Asylbeamten zu offenbaren, war's das für ihn oder sie. Nach der Entscheidung soll man bitte nichts mehr vorbringen (dürfen). Denn nicht traumatisierte Ministerinnen können sich nicht vorstellen, dass Traumatisierung eben gerade bedeutet, über erlittene Schmach nicht reden zu können; verdrängen zu müssen, was einem angetan wurde.

Die Ministerin behauptet, es würden zu viele Folgeanträge (neuerliche Anträge nach einer Asylentscheidung) gestellt. Auf meine parlamentarische Anfrage, wie viele es denn seit 2005 waren, sagt sie, sie weiß es nicht, denn die Zahl wird nicht erhoben. Damit sie ihre windigen Behauptungen zugunsten ständiger Verschärfungen belegen kann, lässt sie seit ein paar Monaten die Anzahl wiederholter Asylanträge händisch erheben, allerdings nur bei Anträgen, die dann auch ab_gelehnt wurden. Wie _viele einen neuerlichen _Antrag gestellt und dann Asyl bekommen haben, weiß sie nicht, denn das lässt sie nicht erheben! Damit die Öffentlichkeit nie erfährt, dass ein Folgeantrag selbstverständlich zu Asyl führen kann. 

Nächste Behauptung der Ministerin: Es gebe viele Asylwerber/innen, ja anerkannte Flüchtlinge, die straffällig geworden sind, daher müsse sie die Gesetze verschärfen. Belegt ist, dass Asylwerber/innen bei den Anzeigen stark vertreten sind. Um ein Problem lösen zu können, sollte man dessen Ausmaß kennen. Auf die Anfrage hin, wie viele Asylwerber oder anerkannte Flüchtlinge in den letzten Jahren und Monaten rechtskräftig verurteilt wurden, sagt die Ministerin, das wisse sie - übrigens auch die Justizministerin - nicht, denn das werde nicht erhoben. Nur bei den Anzeigen werde erhoben, wer Asylwerber ist und wer nicht. Bei den Verurteilungen nicht. Aber, sagt die Ministerin, „nach dem subjektiven Gefühl der Fremdenpolizei" seien es viele. Seltsam, dass in einer Demokratie nach der gefühlten Wirklichkeit der Fremdenpolizei Gesetze geändert werden. 

Wenn künftig Asylwerber Traiskirchen verlassen, um Anwalt oder Rechtsberatung in Wien aufzusuchen, werden sie in Schubhaft genommen und mit einer Geldstrafe (1000 Euro) belegt. Weil sie den politischen Bezirk verlassen haben, und das ist verboten. Für Fekter ist das „human und gerecht". Gute Nacht, Rechtsstaat! (Alev Koru, DER STANDARD Printausgabe 22.10.2009)