Daniel Richter zeigt eine Auswahl seiner Malereien in der Sammlung Essl in Klosterneuburg.

 

Zur Person:
 Der Deutsche Daniel Richter (47) unterrichtet an der Akademie der bildenden Künste in Wien Malerei.

 

Foto: Gregor Hohenberg

Markus Mittringer hat Richter nach seinem Selbstverständnis als Malerfürst der dritten Generation gefragt.

Standard: Stichwort Malerfürstentum?

Richter: Ich halte von dem Wort nicht viel. Also: Das ist ein Begriff, der ist eingeführt worden, einmal in der Makart-Ära, und dann noch einmal in den 70er-, 80er-Jahren, als ironisch hämischer Kommentar auf die älteren Kollegen wie Baselitz, Lüpertz und Immendorf. Und dann hat man das, wie das so ist mit Wörtern, die "schlampert" gebraucht werden, auf jeden angewendet, der irgendwie mit Malerei irgend einen zu vermeldenden Erfolg hatte. Ich halte mich ja eher für einen Malerdemokraten, den Malerpräsidenten, wenn man jetzt in dieser Logik bleiben will.

Standard: Daniel Richter, vom Kunstmarkt gewählt?

Richter: Man kann das an Lüpertz exemplifizieren. Lüpertz hat keinen Erfolg am Kunstmarkt. Das ist eine große Chimäre, ein Phantom, und er selbst sagt das in jedem zweiten Interview. Wenn man nicht nur liest, was er an Verstiegenheiten über die Lehre und das Genietum von sich gibt, dann hat der einen sehr präzisen Blick auf seine Rolle innerhalb der deutschen Gesellschaft und der Kunst. Er ist sich über seinen anachronistischen Charakter sehr im Klaren, und darüber, dass er in Relation dazu, was andere Leute verdienen - und zwar wesentlich jüngere Leute - , dass sein Standing lächerlich ist. Diese Titel wie "Malerfürst" werden ja nicht vom Kunstmarkt vergeben, sondern vom Feuilleton. Was wäre Peter Doig dann? Malergott?

Standard: Wer wählt dann den Künstlerpräsidenten?

Richter: Ich glaube, das ist eine Schnittmenge. Erst einmal muss man sagen, dass es da eine extrem starke Ausdifferenzierung der Kunst gibt. nicht nur in Kunstmarkt und Kunstwelt, sondern tatsächlich in die Malereiwelt, die Konzeptkünstlerwelt, die Kuratorenwelt, die Manifesten-, Gender- und Mainstreamingwelt. Oder jene der Videoperformances. Die Malerei hat da, auch wenn sie so etwas wie das historische Rückgrad des ganzen Betriebs bildet, eigentlich eine völlig anachronistische Funktion. Und sie ist auch nicht mehr das, auf das sich alle einigen. Sie ist für eine größere Schnittmenge innerhalb und außerhalb des Kunstbetriebs aber immer noch das "Eigentliche" .

Standard: Der Inbegriff der Geborgenheit?

Richter: Nein, die Geborgenheit und die Selbstvergewisserung, die viele neue Medien und Skulpturformen mit sich gebracht haben, ist viel größer. Der Kuschelfaktor und der billige Erkenntnisfaktor und der Glamourfaktor sind bei sehr vielen anderen Kunstformen weitaus größer. Dass die Malerei jetzt in Mitteleuropa noch so behandelt wird, und dass es Figuren wie mich, Neo Rauch oder Jonathan Meese gibt, hängt eben mit dieser Tradition zusammen. Die Malerei hat hier immer noch einen Sonderstatus. Aber selbst wenn man das auf der Kunstmarktebene vergleicht, dann ist das, was Neo Rauch oder ich einlösen, immer noch ein Witz gegenüber dem, was Maurizio Cattelan, Peter Doig, Cecily Brown und unzählige andere einlösen.

Standard: Und dennoch sind Sie Maler geworden?

Richter: Dass ich mich für die Malerei entschieden habe, hat mit den Fehlern zu tun, die ich in den anderen Medien immanent sehe. Ich denk' da noch in klassischen Kriterien. Mich nervt sehr viel an neuerer Skulptur, die mich teilweise zwar amüsiert, im Grunde aber eben nervt, weil sie ein konservatives, elitistisches Kunsthandwerkerlevel vorführt. Ich will mich von Kunst nicht auf einer Ebene überraschen lassen, die letztlich mit dem Tivoli und dem Prater konkurriert. Sehr viel von den Effekten, mit denen Leute in den Biennalen glänzen, kennt man doch aus dem Film. Das ist jetzt kein grundsätzlich durchzuziehender Vorwurf, das gilt ebenso für meine Malerei, die hat sich auch bedient. Aber die 1:1-Haftigkeit, der Mangel an Transformation des einen Mediums in das andere, ist bei vielen neuen Sachen frappant.

Standard: Von jetzt aus gesehen! Ihre Entscheidung für Malerei fiel aber früh?

Richter: Spät. Zum richtigen Zeitpunkt. Da hatte ich die 30 aber schon überschritten. Das war aber auch eine bewusste Entscheidung, nachdem ich - wie sich das für einen Studenten gehört - verschiedene Schlaumeiereien à la Duchamps abgearbeitet habe, um dann festzustellen, dass das, was mich persönlich am meisten bewegt, Malerei ist. Jenes Medium, das letztlich mit "Weltbild" am meisten zu tun hat.

Standard: Weil Malerei die längste Geschichte hat?

Richter: Ich glaube, dass diese Geschichte hoch aufgeladen ist - was nicht heißt, dass sie nicht auch abgefrühstückt sein kann - aber: In der Malerei läuft der Prozess von Denken über Bild und Materie und über Weltbild, im Arbeiten in einer Reduziertheit und Einfachheit zusammen - in einer Offensichtlichkeit, die man nirgendwo anders findet. In der Malerei ist alles so gemeint, wie es gemacht ist, so wie im Zeichentrickfilm.

Standard: Aber es heißt doch immer: "Das letzte Bild ist längst gemalt worden."

Richter: Das letzte Foto ist wahrscheinlich auch schon gemacht worden. Nur der letzte Baum ist noch nicht gerodet. In den 90ern haben die meisten jungen Galeristen eher site-spezifische Arbeiten ausgestellt. Die waren immer beflissen, über die Malerei faule Witze zu machen, diese als abgefrühstücktes Medium darzustellen. Die gleichen Leute haben dann alle angefangen, Ende der 90er dem Markt nachzugeben und ebendiese Malerei auszustellen. Alle haben zielsicher den kitschigsten, miesesten und pseudokritischsten Mist ausgestellt. Das hat viele Leute, die ich vorher ernst genommen habe, desavouiert. Wenn Leute über Keith Jarrett als den größten Jazzer reden, dann weißt du, dass sie keine Ahnung von Jazz haben. Auch die letzte Skulptur ist längst gebaut, und wann endlich werdet ihr verstehen, dass man Haie nicht essen kann?

Standard: "Bilder produzieren Bilder" , hat Markus Lüpertz einmal gesagt: Hört das denn nie auf?

Richter: Durch das Verschwinden des Arguments zugunsten des charismatischen Bildes - zum Beispiel in der Politik - sind die Bilder noch mächtiger geworden. Malerei hat da eine eher bildskeptische Funktion. "Bilder generieren Bilder" , mag gelten, wenn man sich nur mit Matisse und Beckmann beschäftigt, aber die Frage ist: "Inwiefern hat dieses Bild einen Wahrheitsgehalt, etwas, in dem sich die Welt wiederfindet, ihren Status quo erkennen kann, der sich nur in diesem Medium preisgibt?" Das Meiste ist Elfenbeinturmmalerei mit originellen Einfällen. Fantasy interessiert aber mich nicht. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.10.2009)