Paris - Shakespeare hätte seine helle Freude gehabt: Das Fernduell von Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Ex-Premier Dominique de Villepin vor den Gerichtsschranken trug die Züge eines veritablen Bühnendramas. Theatralische Auftritte, Versprecher und Drohungen prägten den seit September dauernden Prozess. Flankiert von seinen Töchtern, darunter ein Topmodel, setzte sich Villepin im Pariser Justizpalast zuerst selbst in Szene, als er feierlich deklamierte, er sei "wegen eines einziges Mannes hier - Nicolas Sarkozy".

Frontalattacke

Die Frontalattacke gegen den Staatspräsidenten gab den Ton des ganzen Prozesses vor. Die Anwälte der beiden gaullistischen Spitzenpolitiker schenkten einander nichts. Villepin habe das ganze Lügengeflecht mit der gefälschten Kontenliste der Luxemburger Bank Clearstream selbst eingefädelt, um seinen Klienten anzuschwärzen, erklärte Sarkozys Anwalt Thierry Herzog diese Woche in einem stundenlangen Plädoyer. Der Präsident sprach im Fernsehen bereits von einem "Schuldigen" - nachdem er vor Jahren schon gedroht hatte, er werde denjenigen, der seinen Namen auf die Clearstream-Liste gesetzt habe, "eigenhändig an den Fleischerhaken hängen".

Villepins Anwalt Olivier Metzner meint, es gebe keinen einzigen Beweis gegen seinen Klienten. Nur weil er von den Listen gewusst habe, ohne sie an die Justiz weiterzuleiten, sei er noch nicht schuldig: "Bisher wurde in Frankreich noch nie jemand verurteilt, weil er etwas unterlassen hat."

Staatsanwalt Jean-Claude Marin, der Sarkozy persönlich nahesteht, fordert 18 Monate Haft bedingt für Villepin. Dieser habe die brisante Liste von Mittelsmännern erhalten, um sie als Wahlkampfmunition zu verwenden. Die vier Villepin-Verteidiger konterten in ihren Schlussplädoyers, die Staatsanwaltschaft sei befangen; sie müsse die Weisungen des Elysées befolgen, in diesem Fall also von Nicolas Sarkozy, der selbst Prozesspartei sei. Deshalb handle es sich um einen "politischen Prozess" . Der angebliche Verschwörer Villepin kann sich deshalb selbst als Opfer eines von Sarkozy inszenierten Rachefeldzuges hinstellen.

Das Gericht wird sein Urteil erst in mehreren Monaten fällen. Juristisch gesehen ist nach Meinung unabhängiger Experten sowohl ein Freispruch wie eine Verurteilung wegen Beihilfe zur Verleumdung drin. Die Folgen des Urteils werden aber auf jeden Fall politisch sein. Wird Villepin reingewaschen, kann er sich in der konservativen Regierungspartei UMP mehr denn je als ernstzunehmender Widersacher des Präsidenten darstellen. Das wäre gefährlich für Sarkozy, der die eigene Partei weniger im Griff hat als die Linksopposition. Villepin hat zwar den Makel eines wenig modernen Altgaullisten; aber er ist von seinem Ego her wohl der Einzige in der UMP, der Sarkozy das Wasser reichen könnte - und ihn selbst an den politischen Fleischerhaken hängen möchte.

Ein Schuldspruch aber würde seinen Elysée-Plänen ein Ende bereiten und Sarkozys Weg zur Wiederwahl 2012 ebnen. Vielleicht brauchen die Richter deshalb so lange: Sie befinden auch über die politische Zukunft Frankreichs. (Stefan Brändle/DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2009)