Ina und Jürgen sind zwei langjährige Fans der Band, die vor kurzem freudig überrascht feststellen durften, dass Go Plus nicht wie angenommen längst aufgelöst sind, sondern eben erst eine neue CD herausgebracht haben. Ihr schlichter Titel: "Go Plus".
Jürgen: Ich beginne mal mit der klassischen Ferien-Frage: Dein schönstes Go Plus-Erlebnis?
Ina: Da gibt's kein spezifisches, weil so viele... Der Vorgänger "Largo" war lange Zeit eine alltagsbegleitende Maßnahme für mich. Der eine oder andere Textfetzen drängt sich auch jetzt noch immer wieder auf: "Das sind so Akkorde, das ist so ne Linie, erinnert mich so an dich..." oder "Glasperlengleich kullern die Gedanken aus dir raus, ...."
Stimmungsmäßig würde ich Go Plus aber eher dem Winter zuordnen. Diese melancholischen Texte, das Grüblerische - traditionell eher winterliche Tätigkeiten. Und jetzt deins:
Jürgen: Ich hab sie mal auf den Anrufbeantworter gespielt bekommen, was gleichzeitig mein Erstkontakt mit der Band war. Danach konnte ich ihn wochenlang nicht löschen und musste mich jedesmal durch eine zunehmend unadministrierbar werdende Anrufschlange quälen, bis die CD dann endlich zu bekommen war - inzwischen geht das zum Glück ja etwas leichter. Die neue ist ja auch in Österreich schon erhältlich.
War anfangs ein wenig überrascht, dass Go Plus ihren alten Gitarren-Sound ziemlich erweitert haben. Immerhin hab ich sie jahrelang als Referenzband für ähnliche Indie-Popper herangezogen; und sooo weit lagen sie ja auch von Tocotronic nicht entfernt. Bloß dass sie sich immer hörbar auf die 80er bezogen haben: XTC (von denen ja der Name "Go Plus" übernommen wurde) und die ganz frühen Cure ... vor der Grufti-Phase natürlich.
Ina: Vielleicht erklärst du nochmal, was du unter "altem Gitarrensound" verstehst... Ich habe das Songwriting von Go Plus ja immer in einer Tradition mit Prefab Sprout und ähnlich gewissenhaft arbeitenden Bands gesehen. Die sterilen Gitarren und die Produktion der Klaviere entspringen sicherlich einer anti-rockistischen Haltung und der Liebe zum Klang.
Die Vergleiche mit Tocotronic kann ich auch gar nicht nachvollziehen. Außer dass sie beide von Hamburg aus agieren, auf Deutsch singen und schon mal mit Tobias Levin aufgenommen haben, fallen mir keine Parallelen ein. Und Go Plus bastelten ja eigentlich Zeit ihres Bestehens am großen Pop-Wurf, während Tocotronic bis vor nicht allzu langer Zeit dem Punk-Rock verschrieben waren.
Jürgen: ... Go Plus haben sich immer an die 60er Jahre angelehnt - entweder direkt ("Song for Brian" ... also Beach Boys halt) oder indirekt: der ganze Frühachtziger-Gitarrenpop war doch seinerseits stark von den 60ern beeinflusst, was Melodien und Harmonien anbelangt; und nicht zuletzt die Rückkehr zur kurzen Pop-Song-Struktur.
Das heißt aber nicht, dass nicht soundmäßig was durchaus Ähnliches rauskommen kann wie bei einer Band mit zugebenermaßen ganz anderen Bezügen - wie etwa Tocotronic. Go Plus und die Tocos können in jedem CD-Regal bequem nebeneinander stehen. Aber genausogut auch neben Virginia Jetzt!, Fink oder Bazooka Cain.
Aber zurück zur neuen CD: Soundwechsel oder Sounderweiterung?
Ina: Ganz klar Sounderweiterung! Ich erkenne keine Neuorientierung, aber das muss ja auch nicht sein ... Die Gitarren klar, die Beats knackig, wunderbare Melodien und viele schöne Arrangement-Ideen.
Textlich sind sie sehr persönlich geblieben, und poetisch auch. Dass das so viele Leute stört, verstehe ich gar nicht. Das passt doch alles wie die Faust auf's Auge! Herzzerreißend zum Beispiel bei "Träger": "Du hast mir mal gesagt, ich sei sooo sensibel, und du hast still beklagt, es ist schlimm, denn heutzutage weinst du selbst nicht mehr", gefolgt von einer Feedback-Gitarre, die gemeinsam mit Klavier und Bass zum großen "Poperlebnis" mutiert. Es ist kitschig, aber wahr!
Jürgen: Wen hat's gestört??
Ina: Diejenigen, an denen "Largo" spurlos vorbeigegangen ist. Eigentlich hätte der Vorgänger zum aktuellen Album "Go Plus" ja ein richtiger Durchstarter sein sollen ... Laut "Spiegel" wird ihnen immer wieder ihre "studentische" Attitüde vorgeworfen.
Jürgen: Na sowas.
Mir gefällt ja sehr gut, dass sie in mehreren Liedern ("Ich geh in die Stadt", "Hannover", "Hamburg here I come") das Spannungsverhältnis zwischen ihrer Herkunft und dem Sog des übermächtigen Hamburg thematisieren. Hannover ist ja wahrlich kein Metropolis, aber mögen tun sie's halt doch.
Rein musikalisch gesehen finde ich die Nummern am besten, in denen sie zumindest einen kleinen Energieschub ausleben. "Ich geh in die Stadt" eben oder "Tremble", das voll nach 1983 klingt, Prefab Sprout oder Haircut 100 - bis sie dann nach vier Minuten doch noch die Regler hochdrehen. Melancholisch klingen Go Plus sowieso immer - bei den ganz langsamen Nummern wie "Erinnerung an Natur" neigen sie dann aber ein bisschen dazu in Schönheit zu verbluten, finde ich.
Ina: Frage mich auch, ob die Aufforderungsformulierungen, wie sie z.B. in der Nummer "Stop" vorkommen, auf andere gemünzt sind oder ob Mastermind Pit Przygodda indirekt von sich selbst spricht, wenn er singt "Hör doch mal damit auf immer an der Wand zu stehn und immer nur an den Rand zu sehn ... jeden Tag". Ich vermute fast, der laboriert an sich selbst genauso stark wie am Rest der Welt ...