Wien - "Ich mache nur eine menschliche Arbeit", beteuert der Pfleger. "Ich bemühe mich, dass sich die Menschen wohlfühlen."

Doch einer seiner Pfleglinge, eine Schwerstbehinderte, die in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt, hatte sich gar nicht wohlgefühlt. Das wusste auch der gebürtige Tunesier: "Sie wollte keine Männer in der Pflege. Und ich komme auch noch aus einem anderen Land." Da ihm diese Abneigung bekannt war, "war es mir auch unangenehm, zu ihr zu gehen".

Doch wenn im Verein, der die Pflege organisierte, Not an der Frau war, musste er hin. Und er hatte den klaren Auftrag, auch den Intimbereich der Frau zu reinigen.

Dann die Anzeige. Die Behinderte, die sich nur per Computer verständigen kann, hatte angegeben, dass sie der Pfleger "absichtlich sehr fest und tief im Intimbereich gewaschen" habe, "mit einem Lachen im Gesicht". Es sei zu einem sexuellen Übergriff gekommen.

Verteidigerin Anja Oberkofler verweist auf einige Widersprüche. Zu den Übergriffen sei es fünf Mal gekommen, "jedes Mal, wenn er da war", hatte die Frau angegeben. Doch der Pfleger war in Summe 21 Mal bei ihr. Auch hatte die Frau angegeben, dass der Betreuer der Wohngemeinschaft den Pfleger laut schreiend fortgewiesen habe - doch das verneint der Betreuer in der Zeugenaussage.

Der Richtersenat unter dem Vorsitz von Roland Weber spricht den Angeklagten frei. "Dass ein Mann zu der Frau geschickt wurde, ist sicher unerfreulich", begründet Weber das Urteil. Die Pflege sei gewiss "letztlich subjektiv für sie unangenehm" gewesen. Aber einen Übergriff habe nicht einmal ihre Zimmerkollegin mitbekommen. Auch die Staatsanwaltschaft verzichtet auf Rechtsmittel, das Urteil ist rechtskräftig. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 23. Oktober 2009)