Opfer eines nächtlichen Ausfluges in den Kühlschrank

Foto: Standard/Matthias Cremer

Frankfurt/Main - Bis heute ist fraglich, ob es nur eine schlechte Angewohnheit oder eine Krankheit handelt. Das Night Eating Syndrom, bei dem sich Menschen regelmäßig in der Nacht vollessen, wurde schon vor über 50 Jahren von einem amerikanischen Psychiater beschrieben: Die Betroffenen schlafen schlecht und nehmen mindestens ein Viertel ihrer Nahrungsmenge spätabends oder nachts zu sich. Mehr als 70 weitere Studien zu den biologischen Hintergründen des Phänomens haben keine entscheidenden neuen Erkenntnisse gebracht. Schwierig ist die Analyse deswegen, weil es in einer Grauzone verschiedener Störungen liegt: Schlaf-, Ess- und affektiver Störungen haben laut Forschern damit zu tun. 

Unklare Störung

Viele Betroffene leiden unter einem gestörten Schlaf, weil sie glauben ohne Stillen ihres Hungers nicht schlafen zu können. Viele leiden tagsüber unter Reizbarkeit und Müdigkeit. Forscher sprechen dennoch nicht von einer Schlafstörung. Fraglich ist auch, dass der nächtliche Heißhunger eine Essstörung ist, weil viele am Tag ein normales Essverhalten haben. Auch ist nicht jeder Nachtesser dick. Barbara Mühlhans, die am Uniklinikum Erlangen eine Studie dazu leitete, schätzt, dass ein bis zwei Prozent der Menschen an dem Problem leiden. 

Definitionsfrage

US-Forscher von der Universität von Pennsylvania wollen nun Kriterien zur besseren Definition des Syndroms einführen: Betroffen sei, wer entweder seit mindestens drei Monaten mehr als ein Viertel seiner Nahrung nach dem Abendessen einnimmt oder mindestens zweimal pro Woche nachts deswegen aufsteht. Zudem müssen sich die Betroffenen der Episoden bewusst sein und Leidensdruck bestehen.

Laut Alexander Balling von der Psychosomatischen Klinik Bad Bramstedt in Deutschland verschwinde die Gewohnheit bei manchen wieder, bei anderen chronifiziere sie mit den Jahren. Der Mediziner vermutet noch eine Ursache des Phänomens: Stress. Zur Behandlung von Menschen mit Leidensdruck, bei denen nicht mehr nur von einer schlechten Angewohnheit gesprochen werden kann eigneten sich in manchen Fällen moderne Antidepressiva, hilfreicher sei aber eine Verhaltenstherapie. (red/AP)