Durch Zufall in Wien hängengeblieben und nach 26 Jahren fast eine "Österreicherin": Sohyi Kim vor ihrem Restaurant.

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Wien - Sie lebt seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Wien und fühlt sich "schon fast wie eine Österreicherin". Nach der Art ihrer südkoreanischen Heimat trage sie ihren Nachnamen, den sie mit Millionen Koreanern teilt, an erster Stelle. Aber als Wahlösterreicherin nennt sie sich Sohyi Kim. Und - weit über Österreich hinaus - bekannt ist sie ohnehin als "Kim kocht", nach dem Namen ihres stets auf Monate ausgebuchten Wiener Restaurants.

Der Charakter der Küche erzählt schon fast die Geschichte ihrer Schöpferin: asiatische Vielfalt, kosmopolitisch interpretiert und mit einer Prise österreichischen Einflusses. Und so klingt es auch, wenn Kim spricht.

Als 19-Jährige wollte sie die Welt kennenlernen und blieb in Wien hängen. Nach einem Studium an der Modeschule Herbststraße arbeitete sie einige Jahre als Modedesignerin und kreierte eine eigene Linie. Bis sie fand, dass sie ihre Kreativität beim Kochen besser ausleben konnte.
Sohyi Kim war ja vorbelastet. Von ihrer Mutter und deren Restaurant in der südkoreanischen Hafenstadt Busan (die, nebenbei bemerkt, einen weltweit ziemlich einzigartigen Fischmarkt besitzt) hatte sie zweierlei mitbekommen: die Wertschätzung für Nahrungsmittel und deren einfühlsame Zubereitung - und den Willen, sich als Frau durchzusetzen. In der auch heute noch patriarchalisch-hierarchisch geprägten Gesellschaft Südkoreas müssen Frauen besonders stark sein, um außerhalb ihrer traditionellen Rolle Erfolg zu haben. Aber es gibt auch das Beispiel der Insel Jeju vor der Südküste Südkoreas. Dort haben bis vor wenigen Jahrzehnten die meisten Familien von dem gelebt, was Mütter und Töchter als Taucherinnen aus dem Meer holten.

Mit einer vergleichbaren mentalen Ausstattung ging Kim ihren Weg in der anfangs fremden Kultur. Das Wichtigste sei zunächst das Erlernen der Sprache gewesen: "Wenn man seine Meinung nicht äußern kann, funktioniert's nicht." Die Mutter - „eine wunderbare Frau" - half auf ihre Art mit: Bei einem Wien-Besuch befand sie, die Tochter müsse die Tanzschule besuchen, weil das hier eben dazugehöre.

Auf die österreichische Neidgenossenschaft angesprochen, die dem anderen den Erfolg nicht gönnt, meint Kim: "Neid gibt es überall, auch in Korea." Anders als in ihrer alten Heimat habe sie aber in Österreich den Zwang, sich durchzusetzen, nicht so empfunden. Das hänge wohl mit dem Wohlstand zusammen, den es hier, im Gegensatz zu Südkorea, schon damals längst gegeben habe.

Erst in Österreich habe sie gelernt, "logisch zu denken, sich Zeit zu lassen, zu genießen und sich gleichzeitig weiterzuentwickeln". Was hat sich in den 26 Jahren seit ihrer Ankunft geändert? "Die Menschen sind offener geworden, tolerieren und akzeptieren den anderen, zumindest nach außen hin. Und man redet sehr viel von Liebe. Aber wenn sie da ist, braucht man nicht so viel darüber zu reden." (Josef Kirchengast/Der Standard, Printausgabe 24.10.2009)