Medienwissenschafter Fritz Hausjell interviewte in den 1980er- und 1990er-Jahren viele Menschen, die von den Nazis vertrieben wurden und nicht nach Österreich zurückkehrten. Dabei fiel ihm eines markant auf: Oft war er der erste Österreicher, der nachfragte. Die Leute reagierten verwundert. Ihre Geschichten, die sie oft nicht einmal ihren Kindern erzählten, endeten nicht selten in emotionaler Bewegung. 

Mit diesen Erfahrungen erläutert Hausjell das Anliegen der Österreichischen Gesellschaft für Exilforschung, deren Präsident er heute ist. 2002 wurde die Interessenvertretung gegründet, um Forscher, Vertriebene und ihre Nachfahren, Künstler und Medien zu vernetzen und Exilforschung im Wissenschaftsbetrieb zu etablieren. Versöhnung zwischen Österreich und den Menschen im Exil, Vertriebene wieder als Teil Österreichs zu sehen, sind die zugrunde liegenden Absichten. 6000 Kontakte weltweit gehören laut Geschäftsführerin Sandra Wiesinger-Stock bisher zum Netzwerk. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich um jene Menschen zu kümmern, die Österreich nie zur Rückkehr eingeladen hat.
Denn schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg war klar, dass an tatsächlicher Aufarbeitung kein wirkliches Interesse besteht. Das wurde im Ausland durchaus wahrgenommen und bremste die Remigration.

Publizistik im Exil

Nun wird die Möglichkeit der Forschung mittels "Oral History" bald der Vergangenheit angehören. Was bleibt, ist die Publizistik im Exil. In 150 Zeitschriften unternahmen die Communitys ihre niedergeschriebene Selbstvergewisserung. Eine biografische Datenbank zu den handelnden Personen des Exils würde viel bringen, ist Hausjell überzeugt. Die Disziplin der Exilforschung muss sich aber nicht auf die Vertriebenen der 1930er- und 1940er-Jahre beschränken. Das Forschen über Österreich als Exilland stünde zur Debatte, von geflüchteten Ungarn in den 1950ern bis zu Tschetschenen in der Gegenwart. Antworten auf die Fragen, wie es sich auswirkt, wenn die eigene Existenz einmal derart infrage steht, oder wie multiple Identitäten zwischen den Kulturen funktionieren, wären für den Umgang mit gegenwärtiger Migration nützlich. Die Forschung funktioniere aber momentan nur, wenn sich Leute selbst zuständig machen, so Hausjell. In vielen Bereichen, in denen Aspekte der Exilforschung auf der Hand liegen, werde sie nicht betrieben.

Ernüchtert sind die beiden Wissenschafter vor allem über das Engagement des Staates in ihrer Sache. In den Gedenkjahren 2005 und 2008 wäre es naheliegend gewesen, sich mit Vertreibung und kaum stattgefundener Remigration zu beschäftigen, und es sei augenfällig, dass das vermieden wurde. Die Gesellschaft ringt um eine Basisfinanzierung von 130.000 Euro pro Jahr. Gewährt wurde sie noch nie. Eine Stiftung könnte Abhilfe schaffen. Fritz Hausjell macht gerade die Runde bei möglichen Finanziers: „Hannes Androsch meinte, er wird es sich ansehen." (Alois Pumhösel, DER STANDARD; Printausgabe, 24./25./26.10.2009)