In seinem Roman "Accelerando" schildert der Science Fiction-Autor Charles Stross den Weg der menschlichen Zivilisation in den Posthumanismus.

Coverfoto: Heyne

Wenn man sich an Stanley Kubricks "2001 - A Space Odyssey" hält, ist der Mensch von Anbeginn seiner Evolution von seiner selbst entwickelten Technik ge- und befördert worden - wohin auch immer.

Der Kommunikationswissenschafter Oliver Heissenberger hat in seiner Diplomarbeit "Fantasien des Posthumanen" versucht Philosophie, Medientheorie und Science Fiction miteinander zu verbinden, ausgehend von den Theoretikern Marshall McLuhan, Günther Anders und Vilém Flusser. Anhand von (meist bekannten) Filmbeispielen wird exemplarisch über deren Theorien reflektiert, grobe interpretatorische Ansätze bereit gestellt. Die Genreentwicklung der Science Fiction aus einer literarischen Gattung heraus wird ebenso an Beispielen veranschaulicht wie einzelne Motive herausgegriffen (z. B. der Schachautomat).

Beziehungen zwischen "Einbildnern" und Philosophen liegen nahe. Die Hauptfragen, die sich durchgehend stellen: Inwiefern ist die Erfahrbarkeit von Botschaften abhängig vom verwendeten Medium? Kann sich Philosophie und/oder Medientheorie im Film anders ausdrücken, als sie es gedruckt vermag? Inwiefern ist eine Bewusstseinserweiterung des Rezipienten, die Erweiterung des Erfahrungshorizontes durch das Medium angelegt und realisierbar? Bei McLuhan etwa wird die Wahrnehmung von Botschaften über alle Sinne angesprochen, eine Synästhesie im Kommunikationsprozess: "the medium is the m(e/a)ssage".

Mad Scientists - ein prometheisches Gefälle?

Die Vermenschlichung der Maschine (Kubricks "2001" als Paradigmenwechsel) steigert den Schauer-Effekt: Wo setzt man die Fähigkeit zur Urteilskraft (bei Maschinen) bestmöglich an? Kann diese Fähigkeit programmiert werden, auch die des ethischen Empfindens?

Es finden sich die verschiedensten psychologischen Angstverschiebungen im selbstentfremdeten Subjekt unserer Gesellschaft. Eine beliebte davon bleibt die Auseinandersetzung im Maschine-Mensch Diskurs, die Laien fragen sich; wie ist es um unsere "mad scientists" bestellt? So sind menschliche Werte wohl nur programmierbar unter der Voraussetzung, dass der menschliche Schöpfer von Apparaten solche Eigenschaften selbst besitzt ... Bereits bei "Dr. Jekyll und Mr. Hyde" von R. L. Stevenson wird dieses Unbehagen thematisiert. Durch die Selbsterhebung in göttlichen Status kann sich der Homo ludens schon selbst unheimlich werden. Hat der moderne und mündige Bürger seine neue Fremdbestimmtheit bereits programmiert? Technisch ist alles machbar - kann der Mensch von seinen eigenen Produkten überrollt werden? Derartige Skepsis ist nicht neu, seit der industriellen Revolution wird sie unübersehbar.

Telematisches Bewusstsein vs. Anthropologische Bedrohung

Die Angstwirkung funktioniert allein aufgrund des Beharrens auf der einen (eigenen) Position. Etwa der eindeutig formulierten Botschaft: der Apparate-Totalitarismus und dessen Missbrauch, führt uns in die Katastrophe des kulturellen Verfalls, die Entropie.

Die Phantasie hingegen erlaubt uns solche Positionen zu verlassen, eine andere einzunehmen und - wie es der Science-Fiction-Film immer wieder versucht - mit diesem Wechsel angesichts einer möglichen Apokalypse zu spielen: so etwa eine bewusste Entscheidung gegen eben diesen Totalitarismus und eine Mäßigkeit im Gebrauch der Maschine, etwa der Entertainment-Industrie als einer deren Ausläufer.

Heissenberger stellt das telematische Bewusstsein der Skepsis entgegen, sieht die Herausforderung, die sich uns stellt: Telematik (Begriffszusammensetzung aus Telekommunikation und Informatik) kann positive Utopien einer bisher ungelebten und ungedachten Kultur vorantreiben, eine neue Menschwerdung im Sinne der Koexistenz mit Technik ermöglichen. Eine Überwindung bisheriger Ideale und die Schaffung neuer. Eine Lösung aus den Angstgedanken kann nur über neue, noch unbedachte Möglichkeiten geschehen, weg vom Kulturpessimismus.

Die Diplomarbeit Heissenbergers bietet leicht lesbar eine interdisziplinäre Rundschau - sowohl auf literarischem, medienwissenschaftlichem wie philosophischem Feld, regt zur vertiefenden Auseinandersetzung an. Auf die Schlussfrage, ob die Philosophie im klassischen Sinne obsolet wird und dieser Diskurs sich nun "nur" mehr in den neuen Medien vollzieht, gibt der Autor keine Antwort. Alle diesbezüglichen Fragestellungen werden und müssen sich meines Erachtens Erwartungshorizonten anpassen - Transformationen von Diskursformen sind zeitlos.

Die Diplomarbeit "Fantasien des Posthumanen. Medien, Technik und Science-Fiction-Film" (2008) von Oliver Heissenberger ist auf textfeld.ac.at im Volltext nachzulesen.