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Eine Frau demonstriert außerhalb des Uno-Tribunals. Auf dem Plakat fragt sie nach verschwundenen Opfern. Karadzic führte die bosnischen Serben an und ist wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

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Der angeklagte Radovan Karadzic will sich selbst verteidigen.

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Die freigelassene Plavsic nach ihrer Ankunft in Belgrad.

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Den Haag - Der vorsitzende Richter schaut auf einen leeren Platz im Gerichtssaal. "Ich stelle fest, dass der Angeklagte, Herr Karadzic, erneut nicht anwesend ist", sagt O-Gon Kwon. Der Angeklagte, der Ex-Präsident der bosnischen Serbenrepublik Republika Srpska, Radovan Karadzic, müsse damit die Konsequenzen tragen, sagt der Südkoreaner und präzisiert: Der Prozess könne ohne den Angeklagten fortgesetzt, ein Pflichtverteidiger ernannt werden. Das Recht des Angeklagten auf Anwesenheit sei zwar grundlegend, aber nicht absolut, vor allem dann nicht, wenn er sich selbst dafür entscheide, dem Verfahren nicht beizuwohnen.

Der zweite Tag des Karadzic-Prozesses vor dem Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag am Dienstag verlief damit, wie es der Angeklagte angekündigt hatte: Er kam nicht - und blieb bei seinem Argument, er habe nicht genügend Vorbereitungszeit gehabt. Karadziæ will sich selbst verteidigen. Über einen Pflichtverteidiger soll am kommenden Montag entschieden werden.

Das Tribunal begann am Dienstag dennoch mit der Verlesung der Anklageschrift. Karadziæ muss sich wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten - unter anderem wegen des Massakers von Srebrenica und der Belagerung von Sarajewo.

Fast zeitgleich wurde eine umstrittene Verurteilte freigelassen: Die "eiserne Lady" der bosnischen Serben, Biljana Plavsic, verließ am Dienstag das Gefängnis in Schweden und wurde direkt nach Belgrad geflogen. Siebeneinhalb von elf Jahren hatte die Ex-Präsidentin der bosnischen Serben abgesessen, nachdem das Tribunal sie 2003 wegen Verbrechen während des Bosnienkrieges verurteilt hatte.

Ihre Ankunft erfolgte in großem Stil. Regierungswagen der Republika Srpska fuhren Plavsic mit Blaulicht zu ihrer Wohnung in Belgrad. Die serbische Polizei blockierte den Verkehr. Geparkte Autos wurden vor dem Haus weggetragen. Empfangen wurde die ehemalige Biologieprofessorin persönlich vom Premier der Serbenrepublik, Milorad Dodik. Man umarmte sich, hielt sich die Hand. Plavsic war sichtlich glücklich. Zuerst wolle sie ihren Bruder sehen, sagte die Achtzigjährige.

Plavsic hatte sich 2001 freiwillig dem UN-Tribunal gestellt. Weil sie die Vertreibung von Muslimen und Kroaten im Bosnienkrieg (1992 - 1995) gestand, wurden Teile der Anklage fallen gelassen. Plavsic war danach Zeugin im Prozess gegen andere hohe Funktionäre. Für serbische Nationalisten ist sie deshalb eine Verräterin. Für Bosniaken wiederum ist es eine Schande, dass sie vorzeitig freigelassen wurde. Aus ihrer Sicht ist sie ebenso wie Karadzic verantwortlich für Gräueltaten der serbischen Soldateska in Bosnien. (iva, raa, Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 28.10.2009)