Lange schien das Silicon Valley immun gegen Abschwung. Jetzt liegt die Arbeitslosenrate mit zwölf Prozent über dem Landesdurchschnitt. Beim Arbeitsamt ProMatch bekommt diese Statistik Gesichter. Etwa 200 Menschen haben sich an einem Oktobermorgen versammelt, um sich auszutauschen. Workshop-Leiter Bob Withers würde gerne mehr tun, doch die Warteliste ist lang.

Blindes Vertrauen, fehlende Netze

"Blind vertrauend auf den ewigen Boom, haben die Arbeitnehmer hier nie darauf gepocht, soziale Auffangnetze zu schaffen", klagt er. 80 Prozent der Arbeitssuchenden bei ProMatch kommen aus der Internet- und Halbleiterindustrie. Auch in San Francisco, einst pulsierender Sammelpunkt für kreative Internetköpfe, herrscht düstere Stimmung. David Blumberg, der seit langem Risikokapital für Start-ups bereitstellt, hat alles mitgemacht. Die guten Zeiten, als die Investoren noch bereit waren, in junge Firmen zu investieren. Und schlechte Zeiten wie heute, wo alle auf der Suche sind nach dem nächsten Hoffnungsträger.

Alternative Energien

Seit Barack Obama Präsident ist, setzen viele auf alternative Energien. Doch das findet Blumberg gefährlich: "Öko ist sehr abhängig von Staatszuschüssen, wir investieren in Ideen, die an sich nicht wirtschaftlich sind", sagt Blumberg. Wachstumsperspektiven und Milliardengewinne sieht er vor allem bei virtuellen Internetgütern, wie es sie bei Facebook oder Second Life zu kaufen gibt. Dennoch ist auch er vorsichtiger geworden.

Sparkurs für die verwöhnte Cybergeneration

"Vor zehn Jahren bekamen junge Unternehmer leicht zehn Millionen Dollar Startkapital", verrät Blumberg. "Heute geben wir ihnen allenfalls zwei Millionen Dollar." Sparkurs für die einst so verwöhnte Cybergeneration. Der Gründergeist lebt trotzdem weiter. Bei Plug and Play in Sunnyvale können sich Jungunternehmer für 500 Dollar im Monat einen Arbeitsplatz mieten. Einer von ihnen ist Jahanzeb Sherwani. Der 23-Jährige ist durch Zufall zum Netzpionier geworden. Er war in Pakistan und brauchte Zugang zu seinem Computer. Daraus entstand Yaadu VNC. Die Anwendung ermöglicht es, daheimgebliebene Dateien vom iPhone aus abzurufen. 25 Dollar kostet der Download bei iTunes. "Ich bekomme ein Drittel der Einnahmen und kann gut davon leben", erzählt Sherwani. Nun will er einen ersten Mitarbeiter einstellen. Peter Thoeny ist noch nicht so weit. Der Schweizer ist dereinst für die österreichische Firma Take5 Software in die USA gekommen.

Twikki war geboren

Dort stellte er fest, dass viele Konzerne ihre Datenbanken nicht interaktiv verwalten können. Twikki war geboren. Mehr als die Hälfte der 500 größten US-Firmen benutzt die Software schon. Noch ist sie als Opensource-Projekt gratis erhältlich. "Aber irgendwann will ich natürlich Geld damit verdienen", sagt Thoeny. Gut 200 Nachwuchsfirmen haben bei Plug and Play ihr Quartier aufgeschlagen. Auch geschasste Führungskräfte bauen sich dort eine neue berufliche Existenz auf. Alle verpflichten sich, mindestens fünf Start-ups pro Woche zu treffen. Amit Seth gehörte noch vor kurzem zum Topmanagement bei Yahoo.

Die nötigen Kontakte

Heute berät er Firmen bei Plug and Play, im Gegenzug dafür gibt's Firmenanteile: "Diese Leute haben große Visionen", sagt Seth. "Ich helfe mit den nötigen Kontakten." Plug and Play gilt als Trendschmiede. Seit 2006 wurden hier 700 Millionen Startkapital an Land gezogen. Saeed Amidi ist der Kopf und Gründer des Kollaborativs. 2010 will er international expandieren. Tatsächlich hat so mancher Konzern, der heute Internetgeschichte schreibt, ganz klein als Mieter bei Amidi angefangen: Google gehört ebenso dazu wie das Online-Zahlungssystem PayPal.(Beatrice Uerlings aus dem Silicon Valley/DER STANDARD, Printausgabe vom 28.10.2009)