Andrea Fraunschiel (li.), Gertraud Jahn, Gerfried Sperl.

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Andrea Fraunschiel, Bürgermeisterin von Eisenstadt (VP), und die Landtagsabgeordnete Gertraud Jahn (SP OÖ) diskutierten über Leistbarkeit, Jugendtreffs und die Hausmeisterfrage. Gerfried Sperl moderierte.

STANDARD: Was bedeutet soziale Nachhaltigkeit für Sie?

Fraunschiel: Das ist eine Querschnittsmaterie. Menschen brauchen ein Umfeld, in dem sie sich wohlfühlen und sich dennoch an verschiedene Lebensphasen anpassen können. Natürlich ist Leistbarkeit immer ein Kriterium, dem wir Bürgermeister begegnen, wenn wir mit unseren Genossenschaften diskutieren, wie hoch die Wohnbauten sein dürfen.

Jahn: Oberösterreich hat seit heute einen FPÖ-Wohnbaulandesrat. Ich kann nur sagen, was wir weiter gemacht hätten, hätten wir nach 45 Jahren den Posten behalten können. Entscheidend für uns ist die soziale Begegnung. Wir haben vor den Wahlen im verdichteten Wohnumfeld viele Gespräche geführt. Dort haben wir zwei Dinge gehört: Wir können uns die Wohnungen nicht mehr leisten; und: Es kracht, zwischen Alt und Jung, Familien und Nichtfamilien, Ausländern und Inländern. Man kann kaum noch miteinander reden. Als sie als junge Familien eingezogen sind, da waren die Häuser neu, die Kinder sind gemeinsam aufgewachsen. Jetzt sind Neufamilien da, das soziale Gefüge hat sich durchmischt, und es gibt keine Struktur mehr, um all das, was hier läuft, besprechbar zu machen. Mit der Abschaffung des Hausmeisters ist ein wichtiges Element verlorengegangen.

STANDARD: Sie beide reden von Gemeinsamkeit und Wohlfühlen. Gibt es da überhaupt Unterschiede?

Jahn: Das muss man sich auf der konkreten Ebene anschauen. Eines der häufigsten Beschwerden lautet: Die Jungen sind aufsässig, die demontieren alles. Aber die Jungen haben keinerlei Raum. Sie sind auf den Spielplätzen mitten im Hof bei den Kleinkindern. Sie brauchen Gemeinschaftsräume, und es wäre wichtig, die Hausbesorger aufzuwerten – wir sprechen von Wohnqualitätsmanagern. Wir sollten sie aufwerten, die soziale Komponente fördern und sie nicht nur Rasen mähen und Müll ausleeren lassen. Dafür brauchen wir ein Personalentwicklungskonzept.

Fraunschiel: Mir fällt da Kottan ein, wo man einen Hausmeister sieht, der sich zum Chef aufspielt. Ich glaube, dass der gemeinsame Raum von den Menschen gestaltet werden muss. Dort sollten sich die Generationen treffen. Da können sich Bekanntschaften entwickeln, Jugendliche können Mütter mit Kleinkindern kennenlernen und dann vielleicht für sie babysitten. Und wenn man wen kennt, ärgert man sich nicht mehr darüber, dass da etwas klopft und kann es ihm sagen. Betreuer sind sicher gut, aber wir unterschätzen die Menschen. Wenn es Gemeinschaftsräume gibt, die sie gemeinsam nutzen, dann kommen sie zu Lösungen und brauchen keinen Hausmeister, der den Schiedsrichter macht.

Jahn: Meine Erfahrung ist, dass, ohne dass sich jemand darum kümmert, das nicht passiert.

STANDARD: Was hat für Sie Priorität, etwa als Baubehörde in Eisenstadt?

Fraunschiel: Wir haben in den letzten Jahren vor allem auf Ökologie Wert gelegt, etwa den Anschluss an Fernwärme. Als Baubehörde wäre mir wichtig, dass der Grünraum und die Luft zwischen den Wohnhäusern erhalten bleibt. Menschen brauchen Raum um sich;auch Legehennen tun sich gegenseitig weh, wenn sie keinen Platz haben. Wir tun uns in Eisenstadt dabei leichter als in einer Großstadt, aber auch wir müssen darum kämpfen, dass der öffentliche Raum gemeinsam gut genutzt wird. In den Wohnungen brauchen wir möglichst flexible Grundrisse, denn manche Wohnungen sind so klein, dass die Menschen darin kaum leben können – aber auch, weil riesige Sofas von XXXLutz hineingestellt werden. Auch hier muss ein Umdenken stattfinden.

Mehr als ein Scheck

Jahn: Mein erste Priorität ist leistbares Wohnen bei Beibehaltung hoher Qualität. Das ist eine politische Diskussion: Geben wir den Menschen mit wenig Geld einen Scheck und sagen, sucht euch was? Dann haben sie die schlechten und billigen Wohnungen. Oder versuchen wir, Wohnungen mit hoher Qualität beizubehalten und dennoch für sozial schwächere Schichten zu ermöglichen? In der Wirtschaftskrise wird die Verteilungsschere noch größer, und sie wird nicht schrumpfen. Das heißt, mit Gemeindewohnungen allein wird es nicht getan sein. Der zweite Punkt ist die soziale Begegnung: Man muss Gemeinschaftsräume und ein Wohnumfeld schaffen, wo die Begegnung gefördert wird.

STANDARD: Wir reden von den Kindern und den Alten, von Jugendlichen nur, wenn etwas passiert. Was bieten Sie ihnen konkret an?

Fraunschiel: Kleinkinder müssen beaufsichtigt werden, Jugendliche hingegen brauchen ihre Freiräume. Die Jugendlichen würden es nicht schätzen, innerhalb des Wohnblocks einen normierten Treffpunkt zu haben. Daher ist das weitere Umfeld wichtig. Da sind die Kommunen verantwortlich, aber auch die Sportvereine, Lokale und andere Anbieter.

Jahn: Einen normierten Treffpunkt brauchen Jugendliche nicht, aber sie wollen sich mit den Freunden noch schnell treffen und dafür nicht weit weg in ein Lokal gehen müssen. Dafür braucht man in so einer Wohnanlage etwa einen schalldichten Raum oder eine Werkstätte, wo sie laut Musik spielen und etwas reparieren können.

Fraunschiel: Das ist der Unterschied zwischen einer großen Stadt und Eisenstadt, wo ich alles innerhalb von zehn Minuten erreichen kann. Da muss so ein Raum nicht in der Wohnhausanlage liegen.

Jahn: Es heißt immer, es ist gut, wenn Junge und Alte zusammenwohnen. Ob das stimmt, dazu habe ich keine abschließende Meinung. Aber man sollte bei der Planung auf jeden Fall die heftigsten Störungspotenziale reduzieren: Wird der Spielplatz dort hingesetzt, wo die anderen ihre Schlafzimmer haben oder die Küchen? Das muss man rechtzeitig beachten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.10.2009)