"Viele Wohnbauprojekte sind monostrukturell", sagt Bettina Götz vom Wiener Architekturbüro Artec. "Das äußert sich nicht nur in einer architektonischen Gleichförmigkeit, sondern auch in einer gewissen sozialen Monotonie." Um dem entgegenzuwirken, entschieden sich die Artec-Architekten beim Wohnbau in der Tokiostraße in Wien-Donaustadt zu einer Wohnungsmixtur der besonderen Art.
Nach Vorbild der Bremer Stadtmusikanten - so auch der offizielle Titel des Wohnbauprojekts - wurden Wohnungen völlig unterschiedlichen Charakters recht unverfroren übereinandergestapelt. Die großen Wohneinheiten wie etwa Lofts oder Maisonettes wurden unten angeordnet, die kleineren Pärchenwohnungen und Garçonnièren wurden weiter oben ins Konzept geschlichtet. Ganz so wie bei den vierbeinigen Viechern der Gebrüder Grimm.
Kleingartenhaus mit Aussicht
Krönender Abschluss des siebenstöckigen Wohngebäudes, sozusagen der Gockel unter den architektonischen Wohntypologien, sind die 15 Kleingartenhäuser auf dem Dach. Klassisch und beschaulich, wie man sie aus der Kleingartensiedlung kennt, ergeben die Miniaturhäuser in 20 Meter Höhe ein amüsantes, gleichsam befremdliches Bild der österreichischen Lebenskultur. "Viele Leute wollen in einem Kleingartenhaus wohnen", erklärt die Architektin. "Da oben haben sie zumindest Aussicht."
Den Bauträger Neues Leben überzeugte das Konzept auf Anhieb. "Die Idee ist großartig, und sie kommt unserem Wunsch nach sozialer Durchmischung, die wir in unseren Projekten anstreben, sehr entgegen", erklärt Geschäftsführer Karl-Heinz Stadler. Die Beliebtheit der Wohnungen schlage sich auch in der Nachfrage nieder. Fast drei Viertel der insgesamt 100 Wohnungen sind bereits vergeben.
Aufgrund der Komplexität des Projekts musste sich der Bauträger eine besondere Strategie für die Veranschaulichung der einzelnen Objekte überlegen. Stadler: "Erstmals in der Geschichte unseres Unternehmens haben wir gemerkt, dass wir mit herkömmlichen Grundrissplänen an die Grenzen der Kommunizierbarkeit stoßen. Die Verschachtelung der Wohnungen und die teilweise zweigeschoßigen Loggien haben sich die Leute kaum vorstellen können."
Wohnungsvergabe mit Modell
Also ließ Stadler im Verkaufsbüro ein Architekturmodell im Maßstab 1:100 aufstellen. Anhand der originalgetreuen Darstellung der Kubatur konnte man den Interessenten die Beschaffenheit der einzelnen Wohneinheiten genau erklären. Zusätzlich dazu wurden regelmäßig Baustellenbesichtigungen angeboten. "Die Führungen vor Ort wurden gut angenommen", erinnert sich Stadler. "Wir sind mit der Vermarktung des Projekts sehr zufrieden."
Und die Baukosten? "Hohe Qualität hat ihren Preis. Wir sind am oberen Limit der Förderbarkeit. Das Projekt ist so komplex und das soziale Angebot mitsamt Swimmingpool auf dem Dach ist so reichhaltig, dass ich mich nicht getraut hätte, das Bauvorhaben zu einem Zeitpunkt der Hochkonjunktur zu realisieren." Fertigstellungstermin ist Dezember 2009. (woj, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.10.2009)