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Brennende Ölfelder in Südirak

Foto: Reuters/McSwan

Standard: Der Erdölpreis steigt wieder, seit die Amerikaner und Briten im Irak auf Hindernisse stoßen. Ein neuer Alarm für die Ölmärkte?

Chevalier: Die Erdölpreise sind aus Prinzip volatil, weil sie von den verschiedensten Faktoren abhängen - vom Wetter bis zur Geschwindigkeit der Öltanker. Vor dem Kriegsbeginn zahlte man zudem eine "Kriegsprämie", einen Aufschlag wegen der Unsicherheit. Dazu kam die Krise in Venezuela. Das ist nun weg, doch jetzt kommt der schleppende Kriegsfortschritt dazu und vor allem der innerethnische Konflikt in Nigeria. Der dortige Rückgang der Fördermenge um nahezu 800 Mio. Fass pro Tag treibt die Preise an, während der Stopp der Erdölproduktion im Irak antizipiert worden war.

STANDARD: Die Lage im Nigeria beeinflusst den Ölpreis also derzeit mehr als der Krieg?

Chevalier: Ja. Wenn die Produktion in Nigeria weiter sinkt, kann dies wochenlang zu Spannungen an den Ölmärkten führen. Im Hinblick auf den Krieg hingegen hatten Saudi-Arabien oder Kuwait bereits gegengesteuert und die Fördermengen erhöht. Ich glaube nicht, dass der Krieg das labile Gleichgewicht der Märkte aus den Angeln heben wird. Grundsätzlich dürfte der Ölpreis in näherer Zukunft innerhalb des von der Opec bestimmten Fensters von 22 und 28 Dollar bleiben. Weniger können die ölproduzierenden Länder aus internen und sozialen Gründen nicht zulassen, mehr wollen die Konsumentenstaaten aus konjunkturellen Gründen nicht. Strategische Reserven müssen vorläufig nicht angezapft werden.

STANDARD: Wer wird nach dem Krieg über das irakische Öl gebieten?

Chevalier: Die Amerikaner irren sich gewaltig, wenn sie meinen, in Bagdad ein Regime einrichten zu können, das vorab ihren Erdölinteressen dient. Der Irak war eines der ersten Länder, das seine Erdölindustrie in den Sechzigerjahren verstaatlicht hatte. Es verfügt damit nicht nur über das technische Know-how, sondern auch über eine mächtige Erdöl-Bürokratie. Die Iraker denken da sehr nationalistisch: Das Erdöl gehört ihrer Meinung nach dem irakischen Volk und nicht etwa, wie das in den USA der Fall ist, dem privaten Grundeigentümer, auf dessen Boden Erdöl gefunden wird.

STANDARD: Also können Sie sich kein irakisches Erdölministerium unter US-Aufsicht vorstellen?

Chevalier: Nein, eine amerikanische Vormundschaft würde am nationalen und arabischen Widerstand scheitern. Die Amerikaner können nur ein Regime einsetzen, dass in den Augen der Iraker legitim ist. Viele Politiker, die bereit sind, die Geschicke des Landes zu übernehmen, haben eben diese Legitimität nicht oder nicht mehr. Das Problem stellt sich auch im Norden, wo die Kurdenfrage die wichtigen Ölressourcen um Kirkuk infrage stellen könnte.

STANDARD: Das bedeutet das für die ausländischen Ölfirmen?


Chevalier: Die staatliche Iraqi National Oil Company wird ihren Teil am Kuchen behalten und die internationalen Konzerne gegeneinander ausspielen wollen. Dazu kommen Wiederaufbaukosten. Die Ölfirmen werden den institutionellen, gesetzlichen und fiskalischen Rahmen abwarten.
STANDARD:Bereiten sich die US-Erdölfirmen schon aktiv auf die Rückkehr in den Irak vor?

Chevalier: Die Konzerne waren im Irak durch libanesische Vermittlung ohnehin ständig präsent, auch wenn sie wegen des Embargos nicht offen auftreten durften. ExxonMobil oder Chevron haben derzeit aber noch andere Prioritäten, etwa in Angola oder Dubai. Und BP hat soeben erst einen großen Deal in Russland abgeschlossen.

STANDARD: Nehmen sie keinen direkten Einfluss auf die Bush-Administration?

Chevalier: Ich glaube nicht, abgesehen von dem Erdöl-Service-Unternehmen Halliburton, deren einstiger Vorsitzender Dick Cheney heute US-Vizepräsident ist und das bereits einen Reparaturauftrag im Irak erhalten hat. Die großen Konzerne wollen zuerst wissen, wie viel Steuern sie zu zahlen haben. Das gilt auch für die russische Lukoil oder die französische TotalFinaElf.

STANDARD: Werden die Amerikaner nicht alles tun, um diese Konkurrenten rauszuwer- fen?

Chevalier: Sicher. Aber die Frage ist eher: Können sie das? Die Russen werden nicht so schnell klein beigeben.

STANDARD: Doch die Amerikaner wollen nach dem teuren Krieg profitieren.

Chevalier: Man kann es auch anders sehen: Die Iraker werden, nachdem sie im Krieg geblutet haben, nicht auch noch ihr Öl aus der Hand geben. (Stefan Brändle aus Paris, Der Standard, Printausgabe, 31.03.2003)