Bild nicht mehr verfügbar.

Mahnende Worte vom deutschen Staatsoberhaupt: Horst Köhler hält Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren neuen Vizekanzler Guido Westerwelle (li.) zum Sparen an.

Foto: REUTERS/Thomas Peter

Auch am Tag ihrer Wiederwahl trägt Angela Merkel bequeme Schuhe. Es sind viele Wege, die die alte und neue Kanzlerin in diesen Stunden beschreiten muss. "Wahl der Bundeskanzlerin" , lautet am Vormittag zunächst Tagesordnungspunkt eins im deutschen Bundestag ganz nüchtern.

Auch die "Abgeordnete Merkel" reiht sich in die lange Schlange der Mandatare, die ihre Stimme geheim abgeben. Beobachtet wird sie dabei von einem betagten Ehepaar auf der Besuchertribüne. Merkels Eltern sind auch diesmal wieder dabei, ihr Ehemann Joachim Sauer fehlt, wie schon vor vier Jahren. Doch die Stimmung ist anders als 2005. Viel geschäftsmäßiger, nicht so feierlich. Zaungäste aus dem Volk sind auch nicht so viele da. Dafür hat Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) fünf ihrer sieben Kinder mitgebracht.

Um kurz nach elf Uhr ist es so weit: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verkündet 323 Stimmen für Merkel - neun weniger als Union und FDP vergeben können. Da und dort hört man ob des Dämpfers ein "oh" . Doch Merkel lässt sich nichts anmerken, lächelt, nimmt Blumen, Bussis und Gratulationen entgegen.

Der zweite Akt findet im Schloss Bellevue statt, wo Merkel von Bundespräsident Horst Köhler ihre Ernennungsurkunde bekommt - ohne sichtbare Emotionen, fast geschäftsmäßig. "Wir kommen wieder" , ruft sie beim Rausgehen. Dann geht es wieder in den Bundestag, wo sie ihren Amtseid ablegt und fürs erste ganz allein auf der Regierungsbank Platz nimmt. Union und FDP klatschen, die Opposition schaut, als ginge sie das alles gar nichts an. Auf der Tribüne werden Merkels Eltern bestürmt, was diese nervt. Vater Horst Kasner schweigt, Mutter Herlinde Kasner gibt murrend eine echte "Merkel-Antwort" : "Wie soll ich mich schon fühlen? Es ist so, wie es ist."

Da ist Merkel schon wieder auf dem Weg zum Bundespräsidenten. Im Schlepptau hat sie alle ihre Minister, die nebst Ernennungsurkunden auch gute Ratschläge bekommen: Sie mögen den großen Schuldenberg abbauen.

Inzwischen bilden sich schon die ersten Allianzen bei der Opposition. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und seine Grüne Kollegin Renate Künast, bringen ihre Kritik gemeinsam an. "Das Chaos, das wir schon bei den Koalitionsverhandlungen erlebt haben, setzt sich fort" , sagt Steinmeier und spricht ebenso wie Künast von einem "Fehlstart" wegen der neun Abweichler. Dass Merkel am Abend gleich nach Paris fliegt, anstatt eine Regierungserklärung im Hohen Haus abzugeben, stört sie auch. Der letzte Akt im Bundestag findet also am Nachmittag statt. Die Minister leisten den Amtseid, alle fügen den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" an. Und ein Beobachter meint: "Kein Wunder bei der Menge an Schulden." (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2009)