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Sinnfrage: Medwedew brachte OSZE-Debatte ins Rollen.

Foto: REUTERS/Alexander Natruskin

Wien - Dienstags ist jetzt immer Grübeltag. Manchmal dauert er besonders lang wie vergangene Woche, als die Botschafter der 56-OSZE-Staaten um elf Uhr vormittags in der Hofburg zusammenkamen und erst abends um halb sieben ihre Aktentaschen zuklappten. Das nennen sie dann einen "Super Tuesday" .

Für ein informelles wöchentliches Treffen neben der allgemeinen Arbeit in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist das tatsächlich viel Zeit. Andererseits zeigt es nach Einschätzung von Diplomaten bei der OSZE, wie ernsthaft die Mitgliedsstaaten Russlands Generalangriff auf die Organisation nehmen, die einst den Ost-West-Konflikt beenden half. Mehrere Male hatte der russische Präsident Dmitri Medwedew im vergangenen Jahr den Sinn der OSZE in Frage gestellt und einen neuen Sicherheitsvertrag für Europa gefordert. Zu unausgewogen, zu moskaufeindlich sei die Organisation geworden; in Russlands Interessensphären mische sie sich ein, während die Nato immer weiter nach Osten rücken wolle.

Der Augustkrieg in Georgien hat dem schwelenden Streit über OSZE-Wahlbeobachter, Menschenrechte und Raketenpläne zwischen Russland auf der einen und der EU und den USA auf der anderen Seite dann noch weitere Dramatik gegeben. Die Idee eines Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs der OSZE zur Neubesinnung, den Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ankündigte, verschwand erst einmal in der Versenkung. Statt dessen leitete Griechenland als Vorsitzland der OSZE in diesem Jahr den "Korfu-Prozess" ein, einen Diskussionsreigen, der mit einem Treffen der Außenminister der Organisation auf Korfu begann und sich seit September in der Hofburg in Wien fortsetzt.

"Der "Korfu-Prozess" hat es möglich gemacht, den aufgestauten Frust von Jahren abzulassen" , meinte die griechische OSZE-Botschafterin Mara Marinaki. Die Russen seien konstruktiver geworden, ihr Ton habe sich geändert, bestätigen andere Teilnehmer der Dienstagsrunden. Medwedews "neuer europäischer Sicherheitsvertrag" taucht auch nicht in den Diskussionspapieren der Griechen auf.

Vorschläge für Reformen gibt es durchaus: Eine rasch entsendbare Militärbeobachtergruppe etwa - sie hätte vielleicht den Ausbruch des Georgienkriegs verhindern können. Beim OSZE-Ministerrat in Athen im Dezember soll jedenfalls aus dem "Prozess" ein konkreter Reformauftrag werden. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 29.10.2009)