Heinz Jünger (51) ist seit 1996 Leiter der HNO-Abteilung im Landesklinikum Krems.

Foto: Landeskrankenhaus Krems

Die unangenehme Punktion der Nasennebenhöhlen ist aus der Mode gekommen – Chronische Sinusitiden werden heute weitgehend endoskopisch operiert – Der HNO-Experte Heinz Jünger vom Landesklinikum Krems im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Warum neigen manche Menschen zur Entzündung ihrer Nasennebenhöhlen?

Jünger: Das Nasennebenhöhlensystem ist sehr kompliziert gebaut. Das Problem ist: Die Höhlen im Gesichtsschädel sind groß, die Verbindungsgänge zur Nasenhöhle dagegen nur relativ klein. Wenn ein Schnupfen diese Gänge verschließt, dann werden die Nebenhöhlen nicht mehr ausreichend belüftet und entstandenes Sekret kann nicht mehr abfließen. Irgendwann kommt es zur bakteriellen Infektion und zu den typischen Symptomen einer akuten Nebenhöhlenentzündung.

derStandard.at: Das heißt jede Sinusitis beginnt mit einem banalen Schnupfen?

Jünger: Ja. Man muss nur grundsätzlich zwischen einer akuten und einer chronischen Sinusitis unterscheiden. Das sind zwei völlig verschiedene Erkrankungen. Eine akute Nasennebenhöhlenentzündung ist ein einmaliges Geschehen und beginnt immer mit einem Schnupfen. Beziehungsweise ist bei jedem Schnupfen eine Beteiligung der Nasennebenhöhlen dabei, ganz einfach weil Nase und Nebenhöhlen funktionell miteinander gekoppelt sind. Wir Mediziner sprechen deshalb von einer viralen Rhinosinusitis. Eine akute Sinusitis im engeren Sinn ist immer erst Ausdruck einer bakteriellen Entzündung.

derStandard.at: Das heißt, die akute Sinusitis ist demnach immer eine Indikation für ein Antibiotikum?

Jünger: Ja, während der Schnupfen kein Antibiotikum braucht.

derStandard.at: Welche Symptome deuten auf eine akute Sinusitis hin?

Jünger: Der Eiterherd in der Nebenhöhle verursacht pochende Schmerzen, die sich beim Bücken noch verstärken. Dazu kommen Allgemeinsymptome wie Fieber und ein schweres Krankheitsgefühl.

derStandard.at: Wann wird aus der akuten eine chronische Sinusitis?

Jünger: Die chronische Sinusitis ist ein ganz anderes Krankheitsbild, deshalb kann man auch nicht sagen, dass aus einer akuten automatisch eine chronische Sinusitis wird. Bei der chronischen Form kommt es in der Nase zu einer Polypenbildung. Das sind Wucherungen der Schleimhaut. Wenn diese Nasenpolypen die Nebenhöhlen und Gänge verlegen, dann kann natürlich im Rahmen einer chronischen Entzündung auch einmal ein akuter Schub auftreten. Patienten mit einer chronischen Nebenhöhlenentzündung haben ständig Probleme.

derStandard.at: Warum kommt es zu dieser Polypenbildung?

Jünger: Trotz intensiver Forschungen kennt man die Ursachen bis heute nicht. Das Krankheitsbild ist sehr eigentümlich. Wir wissen eigentlich nur, dass es sich um eine Schleimhautschwellung handelt, in der bestimmte Blutzellen gehäuft vorkommen. Es konnten auch Pilze darin nachgewiesen werden. Versuche die chronische Entzündung mit Pilzmitteln zur Ausheilung zu bringen haben jedoch nichts gebracht.

derStandard.at: Die chronische Sinusitis erweist sich häufig als therapieresistent. Gibt es trotzdem eine Therapie der ersten Wahl?

Jünger: Die chronische Sinusitis ist tatsächlich fast immer ein Problem und begleitet die Patienten über eine lange Zeit oder sogar ein ganzes Leben lang. Das ist keine Erkrankung, die sich mit einer Behandlung erledigt. Die Betroffenen brauchen laufend medizinische Betreuung. Das klingt zwar frustrierend, heißt aber nicht, dass sich die Beschwerden nicht deutlich verbessern lassen. Bei beginnender Polypenbildung und gelegentlichen Beschwerden ist ein Cortisonspray die Therapie der Wahl. Topische Corticoide sind hier sehr wirkungsvoll. Sie bedingen eine Abschwellung und hemmen die Entzündung, behandeln aber nicht die Ursache der Erkrankung. Die Zirkulation, Belüftung und Drainage der Nebenhöhlen kommt auf diese Weise zwar wieder in Gang, allerdings sind die Patienten meist nur über einen mehr oder weniger langen Zeitraum beschwerdefrei.

derStandard.at: Viele fürchten sich vor Cortison?

Jünger: Das Cortison im Spray ist niedrig dosiert und wirkt nur in der Nase. Das Präparat gelangt praktisch nicht in die Blutbahn. Es sind also keine Nebenwirkungen zu erwarten und ist daher durchaus möglich den Cortisonspray ein Leben lang zu verwenden.

derStandard.at: Was ist mit abschwellenden Nasentropfen?

Jünger: Abschwellende Nasentropfen sind bei langfristiger Gabe schädlich. Sie kommen maximal 14 Tage zur Anwendung und eignen sich nur beim akuten Schnupfen und der akuten Sinusitis. Bei der chronischen Sinusitis sind Nasentropfen nicht indiziert. Hier ist die Cortisonbehandlung Standard.

derStandard.at: Wann entscheiden sie sich für die Operation?

Jünger: Wenn die konservative Therapie einer chronischen Sinusitis keine Erfolge mehr zeigt und die Betroffenen massiv darunter leiden, dann operieren wir. Mittlerweile ist die operative Behandlung der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung einer der häufigsten Eingriffe an HNO-Abteilungen, weil eben so viele Menschen darunter leiden.

derStandard.at: Hat sich die Zahl derer die darunter leiden denn in den letzten Jahren vergrößert?

Jünger: Ja, die Inzidenz nimmt ganz sicher zu. Die Schleimhaut ist ein sehr empfindliches Organ. Es gibt eigene Zellen mit Flimmerhärchen, die die Aufgabe besitzen Schleim abzutransportieren. Eine Reihe von Umweltbelastungen, darunter auch das Rauchen, schädigen diese empfindlichen Flimmerhärchen. Eine normale Drainage, der Flüssigkeitsabtransport aus den Nasennebenhöhlen funktioniert dann nicht mehr. Die Folgen sind Nasennebenhöhlenentzündungen.

derStandard.at: Eine Operation der Nasennebenhöhlen ist aber allgemein hin doch sehr gefürchtet?

Jünger: Früher waren diese Eingriffe in der Tat sehr belastend. Da wurde die jeweilige Nasennebenhöhle sehr radikal von außen oder von der Mundhöhle aus aufgemeißelt. Wovor sich Betroffene aber noch mehr gefürchtet haben, war die Punktion. Davon ist man heute weitgehend abgekommen, weil ein akuter Schub mit Antibiotika und Steroiden gut behandelbar ist. Ich persönlich mache schon seit zehn Jahren keine Nasennebenhöhlenpunktionen mehr, ganz einfach, weil die Punktion eben nur kurzfristig eine Entlastung bringt und außerdem sehr unangenehm ist.

derStandard.at: Wie wird heute operiert?

Jünger: Heute wird sehr schonend funktionell endoskopisch operiert. Funktionell bedeutet, man geht mit dem Endoskop den natürlichen Weg, den auch das Sekret nimmt, durch die Nase in die Nebenhöhlen hinein. Mit ein Mikroskop lässt sich die jeweilige Nasennebenhöhle dann darstellen und das Bild auf einen Monitor übertragen. Alls Chirurg habe ich vor Ort dann zwei Möglichkeiten: Entweder ich beseitige bestehende Engstellen oder ich entferne vorhandenen Polypen. Beides dient dazu, die Belüftung der Nebenhöhlen wieder zu gewährleisten. Diese Operation ist wenig schmerzhaft und die meisten Patienten gehen bereits nach einem Tag wieder nach Hause. Was bleibt ist das Risiko, dass die Polypen wieder nachwachsen und der Eingriff unter Umständen wiederholt werden muss. Was aber nicht weiter schlimm ist, weil die Methode wie gesagt sehr schonend ist.

derStandard.at: Was ist mit alternativen Methoden?

Jünger: Wie bei allen chronischen Erkrankungen, ist auch das Geschäft mit der Sinusitis ein großes. An Naturheilmitteln gibt es darum eine ganze Palette von Angeboten. Ich persönlich empfehle Inhalationen mit Tees und halte auch physikalische Maßnahmen, wie die Bestrahlung mit Infrarotlampen für sinnvoll. Wärme hat bei Nebenhöhlenerkrankungen einen sehr positiven Effekt. Es bewirkt einen beschleunigten Entzündungsablauf und damit eine raschere Abheilung. Von alternativen Maßnahmen, wie dem Einsatz der Homöopathie, rate ich nicht ab. Jeder kann das ausprobieren. Wenn es nicht hilft, kommen die Patienten halt wieder. (Regina Philipp, derStandard.at, 20.11.2009)