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Hund, Katze, Katze, Hund - Ihre Entscheidung!

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Beim Abstauben meiner Bücherregale fiel mir unlängst wieder Thorstein Veblens Buch Theory of the Leisure Class (dt. Theorie der feinen Leute) in die Hände. Der US-norwegische Ökonom macht in diesem soziologischen Klassiker aus dem Jahr 1899 auf eine Bürde der Upperclass aufmerksam, welche dem Proleten oft verborgen bleibt: Die aus der gesellschaftlichen Position der Reichen resultierende Quasi-Verpflichtung zum stilvollen Angeben.

Nichts ist schwieriger als stilvolles Angeben. Es unterscheidet sich meilenweit von der peinlichen Protzerei der Mittelklasse und vom neureichen Nebochantentum. Eine hübsche Passage in der Theory bezieht sich auf das Sozialprestige der Haustiere. Hunde, so meint Veblen, rangieren sozial höher als Katzen, weil sie, erstens, ein serviles Naturell haben, das dem Dominanzbestreben ihres Besitzers schmeichelt, und zweitens, weil sie keine Mäuse fangen und daher tendenziell vollkommen nutzlos sind.

Nur nutzlose Tiere sind sozial akzeptabel: Das war 1899 ein bahnbrechender Gedanke, aus der Warte der Gegenwart betrachtet, trifft er aber nicht mehr in allen Details zu. So sind etwa Pitbulls oder Dogo Argentinos, von ihrer Beißkraft abgesehen, zwar völlig nutzlos, aber sie sind eher zum Wappentier des Lumpenproletariats oder des Zuhältertums geworden als zum klassischen Millionärshund. Ähnliches gilt für den Dackel: Dackel, obwohl anerkanntermaßen die sinnlosesten Tiere der Welt, machen unter dem Aspekt des Sozialprestiges so gut wie gar nichts her. Mir ist nicht bekannt, dass sich Finanzartisten wie etwa Karl-Heinz Grasser oder Helmut Elsner, die stets für ihren Hang zum Anscheiben bekannt waren, je mit einem Dackel hätten blicken lassen.

Prestigereicher ist natürlich der Golden Retriever, und zwar deshalb, weil der diesem Hund innewohnende Hang zur Hysterie, zum neurotischen Gekläff und zur Kränklichkeit seiner Halterin oder seinem Halter einen Betreuungsbedarf abverlangt, den sich üblicherweise nur vermögende Menschen leisten können.

Die wirklich Reichen erkennt man aber daran, dass sie rückhaltlos ihrem Hang zum ungewöhnlichen Haustier - Qualle, Känguru, Ameisenbär - nachgeben. Wenn sie in Paris, New York, Moskau oder Saint-Tropez jemanden mit einem Pfau oder einem chinesischen Hängebauchschwein an der Leine spazieren gehen sehen, dann wissen Sie mit Gewissheit: Das ist ein Milliardär. (Christoph Winder, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 31.10/01.11.2009)