Jahrelang hatte Abu Dhabi gegenüber Dubai das Nachsehen. Das Formel-1-Rennen am Sonntag will man jetzt nützen, die eigenen Vorzüge herauszustreichen und neue Gäste anzusprechen. Während Dubai an Glanz verliert, schwimmt Abu Dhabi in Geld.
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Abu Dhabi/Dubai - Vom Strand sind es wenige hundert Meter zur Tribüne der funkelnagelneuen Rennpiste in Abu Dhabi. 50.000 Zuschauer werden am Sonntag live dabei sein, wenn die Boliden der Formel 1 über den Asphalt des Rundkurses glühen - umrahmt von spektakulärer Architektur.
"Nur Sand gab es"
Es ist das Prestigeprojekt von Scheich Khalifa Bin Zayed al-Nahayan, Herrscher von Abu Dhabi. Mit Hilfe des Formel-1-Zirkus soll das flächenmäßig größte und reichste der sieben Emirate am Persischen Golf endgültig aus dem Schatten des ewigen Rivalen Dubai treten. Ziel ist es, Touristenströme in die Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate zu lenken, die bisher hauptsächlich Dubai im Auge hatten.
"Seit zweieinhalb Jahren wird hier gebaut", sagt Roland Billau. Der Oberösterreicher, der für den Fassadenspezialisten Waagner-Biró tätig ist, macht mit der Hand eine 180-Grad-Bewegung: "Vorher war hier alles Wüste. Nur Sand gab es, nichts als Sand."
Billau war viel unterwegs in der Welt, aber so etwas wie hier hat er noch nicht gesehen. "Dieses Hotel" , sagt er und deutet auf einen Komplex mit einer geschwungenen Hülle aus Stahl und Glas, "wurde erst vor 18 Monaten geplant. Jetzt ist es fertig. Am Sonntag braust die Formel 1 mittendurch. Wahnsinn."
Geschlechtertrennung selbst im Aufzug
Die Hülle des vom New Yorker Architekturbüro Asymptote Architecture projektierten 5-Sterne-Hotels Yas Marina wurde von Waagner-Biró realisiert, ebenso die Verkleidung des ellipsenförmigen Sun Tower im Westteil der Rennstrecke. Von dort aus wird der Scheich mit Freunden und Familienangehörigen das Rennen verfolgen, streng getrennt nach Männern und Frauen. Selbst bei den Aufzügen gibt es Geschlechtertrennung: Der Westlift führt in die Frauenetage im fünften, der Ostlift in den nur Männern vorbehaltenen sechsten Stock.
An der Ostseite des Rennkurses schließt die World of Ferrari an. Der weltweit erste Erlebnispark, dem der Rennstall aus Maranello seinen Namen gibt, soll nächstes Jahr eröffnen, inklusive Hochschaubahn, die alle Rekorde schlagen wird - bei Geschwindigkeiten von bis zu 240 km/h sollen Besucher Demut lernen.
Abu Dhabi scheint auf den ersten Blick von der Krise nichts zu spüren. Der Bauboom war immer etwas verhaltener als im 120 Kilometer entfernten Dubai. Dort steht das mit 870 Meter höchste Gebäude der Welt, der Burj Dubai. Dort gibt es die weltweit größte Shoppingmall, das teuerste Hotel, künstliche Inseln in Form einer Palme, die größte Skihalle der Welt und eine Vielzahl anderer Superlative. "Dubai glänzt, Abu Dhabi aber hat das Geld" , hört man nun.
Abu Dhabi sitzt auf gewaltigen Erdölreserven, die noch weit in die Zukunft reichen. Dubai hingegen ist so gut wie trocken. Aufgrund der Finanzkrise wurden viele Projekte auf Eis gelegt. Bis zu einer halben Million Arbeiter samt Familienangehörigen könnten bis Jahresende zurück nach Indien, Pakistan oder Bangladesch gehen.
Schiefster Wolkenkratzer der Welt
Zehn Kilometer vom Formel-1- Kurs nahe Downtown Abu Dhabi reckt sich ein Gebäude 30 Stockwerke in die Höhe. Es ist so schief, dass einem beim Hinschauen schwindlig werden kann. Dem Capital Gate Tower, der auch von Waagner-Biró ummantelt wird, ist nach Fertigstellung 2010 ein Platz im Guinness Buch der Rekorde als schiefster Wolkenkratzer der Welt sicher.
"Die Arbeitskraft ist hier ausgesprochen billig - umgerechnet ein Euro die Stunde" , sagt Roland Jones von der staatlichen Messegesellschaft Adnec. Diese hat den Bau des 160 Meter hohen Turms in Auftrag gegeben. Gearbeitet wird rund um die Uhr. Am Freitag, der in dieser Gegend unserem Sonntag entspricht, wird in der Regel nur eine Schicht gearbeitet.
Den Freitag nimmt sich Norbert Hartlieb ganz frei. Der gebürtige Kärntner, der zumindest einmal im Jahr den Millstätter See sehen muss, lebt seit 32 Jahren in den Emiraten. Früher hat er für die Baufirma AST gearbeitet. Als diese dann von Philipp Holzmann geschluckt wurde, wechselte er zu Waagner-Biró. Er zieht Dubai Abu Dhabi vor: "Die Lebensqualität ist höher, die Freizeitmöglichkeiten sind hier viel größer."
Noch immer sei viel Geld in Umlauf. Dass die Wirtschaft nicht mehr so boome wie noch vor ein, zwei Jahren, sei darüber hinaus kein Fehler. "Die Staus sind weniger geworden, man ist wieder auf den Boden gekommen" , sagt Hartlieb. Auch die Preise hätten sich wieder normalisiert. Hartlieb nimmt ein Glas Wasser in die Hand und sinniert: "Was für ein Land, wo Wasser teurer ist als Benzin." Ein Liter Wasser kostet umgerechnet knapp einen Euro, ein Liter Sprit weniger als 25 Cent. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10./1.11.2009)