James Bindenagel, 1989 US-Gesandter in Ostberlin.

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Wien - "Aus amerikanischer Sicht war der Mauerfall nicht vorgesehen", sagte James Bindenagel bei einem Diskussionsabend mit Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid. Die USA hätten die Ereignisse anfangs als Störung des empfindlichen Gleichgewichts zwischen Ost und West gesehen.

Bindenagel war von 1989 bis 1990 Gesandter an der US-Botschaft in Ostberlin und sprach am Donnerstag in Wien mit Föderl-Schmid über Mauerfall und deutsche Wiedervereinigung aus Sicht der USA.

Er habe zwar gewusst, dass in Osteuropa "etwas passieren wird" , so Bindenagel, dass es aber so schnell gehen und diese Ausmaße annehmen würde, hätten weder er noch die US-Regierung je angenommen. Die Amerikaner hätten keinen Plan für einen möglichen Fall der Mauer gehabt.

Auch am Abend des 9. November, als tausende Ostdeutsche nach Günther Schabowskis Pressekonferenz nach Westberlin strömten, habe er gefürchtet, die Sowjetunion werde intervenieren. "Wir waren bereit, die Sowjets nach Hause zu schicken" , sagte Bindenagel. Die Amerikaner hätten langfristig eine deutsche Wiedervereinigung in der Nato angestrebt. An einen "dritten Weg" , an ein Fortbestehen einer reformierten DDR, habe er ab den Gesprächen zwischen Helmut Kohl und Michail Gorbatschow im Februar 1990 nicht mehr geglaubt.

1989, so Bindenagel abschließend, sei sicher kein Ende der Geschichte gewesen, sondern ein Neubeginn.

Die Diskussion begleitete die Ausstellung "1989. Ende der Geschichte oder Beginn der Zukunft?", die bis 14. Dezember in der Kunsthalle im Museumsquartier zu sehen ist. (tob/DER STANDARD, Printausgabe, 31.10.2009)