"Es ist ungewöhnlich, wie viele verfassungsrechtliche Beschwerden dieses Gesetz verursacht hat", sagt Arbeits- und Sozialrechtler Jasmin Pacic von der Universität Wien. Er hat sich das Gesetz, das seit 2002 den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes regelt, hinsichtlich seiner Verknüpfungen mit dem Arbeitsrecht angesehen und dabei festgestellt, dass in hoher Anzahl gegen verschiedene Bestimmungen verfassungsrechtliche Bedenken geäußert wurden. Für den Arbeitsrechtler hängt dies zum Einen damit zusammen, dass dass einige Bestimmungen "zu kompliziert" sind. Zum Anderen sei die Erwartungshaltung in Bezug auf das Anliegen dieses Gesetzes, Familie und Beruf möglichst zu vereinbaren, schlicht zu hoch gewesen.
Das Kinderbetreuungsgeld wird für alle Geburten seit dem 31.12.2001 anstatt des Karenzgeldes ausbezahlt. Die Begründung für die Einführung des Gesetzes vor fast acht Jahren war, dass die Ausbezahlung nicht von einer vorangegangenen Erwerbstätigkeit abhängt. Die Unterstützung sollte also auch Erwerbslosen, Hausfrauen und -männern sowie Studierenden zukommen.
"Faktische Probleme der Bezieher"
Bei den in den Jahren seit der Einführung eingetrudelten Gesetzesbeschwerden in den Gerichten "geht es weniger um offene Rechtsfragen, als vielmehr um faktische Probleme der BezieherInnen", erklärt Pacic. So gäbe es etwa eine "unübersichtliche Rechtslage" bei den Zuverdienstbestimmungen und im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Ansprüchen.
Bei letzterem Punkt weist Pacic darauf hin, dass zum Beispiel die Dauer der Karenz im Arbeitsrecht nicht mit der Bezugsdauer des Kinderbetreuungsgeldes abgestimmt worden sei. Und das habe Auswirkungen auf den Kündigungsschutz bei Inanspruchnahme einer Karenz. Dieser bestehe nur für 4 Wochen nach dem zweiten Lebensjahr des Kindes. Stimmt der Dienstgeber einer freiwilligen Verlängerung der Karenz für die Dauer des eventuell bis zum 30. oder 36. Lebensmonat des Kindes reichenden Kindergeldbezuges zu, komme es dadurch zu keiner Verlängerung des besonderen Kündigungsschutzes.
Bei der Zuverdienstgrenze würden sich die Kinderbetreuungsgeld-Bezieher oft verschätzen und dadurch "rechtliche Nachteile" erleiden. Schließlich dürfe ein karenzierter Elternteil arbeitsrechtlich geringfügig tätig werden und mit Zustimmung des Arbeitgebers auch für 13 Wochen pro Jahr über der Geringfügigkeitsgrenze. Macht der Elternteil davon Gebrauch kann es alsbald zu einer Überschreitung der Zuverdienstgrenze für das Kinderbetreuungsgeld kommen.
"Ständiges Flickwerk"
Alles in allem sei das Kinderbetreuungsgeld seit seinem Bestehen 2002 "ein ständiges Flickwerk an oberstgerichtlichen Urteilen", das aber zunehmend verbessert wurde. Die Möglichkeiten, die das Gesetz biete, würden nach Kritik von Pacic aber schlecht kommuniziert. So seien überaus wenige BezieherInnen von der Möglichkeit eines vorsorglichen Verzichts des Kinderbetreuungsgeldbezuges für einzelne Monate informiert, der ihnen bei Zufluss von Geldleistungen aus dem Arbeitsverhältnis eine Hochrechnung auf das ganze Jahr nach den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldes ersparen könnte.
Auf diese Weise könnte die Überschreitung der Zuverdienstgrenze vermieden werden. Aufgrund der Unübersichtlichkeit der Zuverdienstregelungen und der oft erst nach langer Zeit erfolgenden Rückforderungen des Kinderbetreuungsgeldes sei bei den BezieherInnen der Frustrationsgrad gestiegen und so auch der daraus resultierende Gang zum OGH bzw. VfGH zu erklären. Letzten Endes teilten die Höchstgerichte jedoch rechtlich zutreffend die wenigsten der vorgebrachten Bedenken. Die durchaus berechtigten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berechnungsmodalitäten für die Zuverdienstgrenze hätte der VfGH jedoch gründlicher prüfen müsse, so Pacic.
Verkürzung bei kürzeren Varianten
Pacic begrüßt es, dass der Nationalrat im Oktober noch zwei weitere Varianten bei der Bezugsdauer des Kindergeldgesetzes eingebaut hat, um die Väterbeteiligung zu erhöhen, hält aber die immer noch bestehende Verkürzung der Gesamtleistung bei den kürzeren Varianten im Hinblick auf die Zielsetzung des Gesetzes, Famile und Beruf zu fördern, für sozialpolitisch bedenklich. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 5.11.2009)