Viele Pferde im Stall

2009 hätte zum Rekordjahr für Rennspiele werden sollen, doch in den vergangenen Monaten wurde ob des dicht gedrängten Weihnachtsgeschäftes ein Titel nach dem anderen auf das kommende Jahr verschoben. Übrig geblieben sind dennoch einige Hochkaräter, die Fahrschüler bis Profis und vor allem virtuelle und echte Autoliebhaber glücklich machen.

Im Folgenden also eine Auswahl der besten Rennställe und ihrer Boliden.

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Forza Motorsport III (Microsoft/Turn 10, Xbox 360)

Mit dem dritten Teil seiner Rennspielserie hat Turn 10 die zweifellos ambitionierteste und umfangreichste Simulation des Jahres auf die Reifen gestellt. Der Blick durch den Feature-Wald hindurch (400 Autos von 50 Herstellern und insgesamt über 100 Streckenvariationen) enthüllt ein extrem forderndes und überaus zugängliches Spiel zugleich. Ein fast stufenlos regelbarer Schwierigkeitsgrad erlaubt jedem Anfänger PS-Monster zu zähmen und zwingt jeden Profi ein feines Gespür für Gas, Bremse, Traktion und Kurvenverhalten zu entwickeln.

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Entweder man klemmt sich sofort hinter das Steuer seines Traumwagens oder man tastet sich im Karrieremodus langsam heran. Der Leitfaden schlägt ein passendes Set an Fahrhilfen und Gegnerstärke vor, das jederzeit geändert werden kann. Von der Kleinwagenserie, mit Spuckerln wie dem Fiat 500, schlägt man sich durch eine Fülle an Bewerben, verdient virtuelles Geld und klettert so langsam in die Oberklasse zu den Bugatti Veyrons und Koenigseggs. Der Aufstieg wird einem recht leicht gemacht. So passt sich einerseits die Streckenlänge der Rennklasse an und andererseits wird man dabei unterstützt, die Gewinne in die richtigen Tuning-Teile anzulegen. So kann man sicher gehen, nicht untermotorisiert an den Start zu gehen.

Und sollte einem im Rennen ein Fehler unterlaufen, steht - wie schon seit Codemasters GRiD bei fast jedem Rennspiel (inkl. NfS: Shift und DiRT 2) üblich - eine Rückspulfunktion bereit, die die Rücksetzung vor den Zeitpunkt des Unfalls ermöglicht. Dadurch wird der Simulation zwar etwas die Glaubwürdigkeit genommen, man erspart sich allerdings jedem Menge Frustmomente.

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Die Entwickler haben ihren Fokus offensichtlich auf das Fahrgefühl gelegt. Für jemanden, der nicht das Glück hat, einen echten Lamborghini meistern zu dürfen, ist es natürlich nicht möglich eine Aussage über die Authentizität zu treffen. Doch FM3 bietet zurzeit sicherlich das glaubwürdigste virtuelle Rennsporterlebnis. Dafür verantwortlich ist die erstklassig umgesetzte Fahrphysik, die den üppigen optischen und akustischen Reizen in Nichts nachsteht. Sowohl Oldtimer als auch Rennwagen fühlen sich insbesondere mit einem Force-Feedback-Lenkrad real an.

Wer etwas am Schwierigkeitsgrad dreht, findet in den computergesteuerten Gegnern clevere und beinharte Mitstreiter, die einen schneiden und auch fernab der Ideallinie ihre Angriffsmanöver starten. Bei den Strecken versuchten die Schaffer offensichtlich einen Mittelweg zwischen Nostalgie und Moderne zu finden. Von der Nordschleife des Nürburgrings, über Stadtkurse wie New York bis hin zu neueren Rennstrecken wie Suzuka wird alles geboten, was der Asphalt so hergibt. Andere Streckenuntergründe gibt es allerdings nicht. Ausbaupotenzial ist jedenfalls vorhanden.

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Die Autos wurden mit viel Liebe zum Detail digitalisiert und glänzen mit einer makellosen Politur. Cockpits wurden fein säuberlich kopiert und geben durch die Windschutzscheibe die wunderschönen, teils etwas kitschigen Landschaften wieder, die im immerzu perfekten Sonnenlichteinfall glänzen. Wenn man FM3 etwas vorwerfen kann, dann ist es der etwas zu clean geratene Look. Zwar tragen Fahrzeuge bei Unfällen Schäden an der Oberfläche davon und nehmen Schmutz auf, wie es bei Simulationen so üblich ist, es wird dennoch stets versucht die Prachtwägen im besten Licht zu zeigen. Spielerisch vermisst Nacht- und Schlechtwetterrenn doch sehr. Vermutlich wurde hier ein Kompromiss geschlagen: Statt der Über-Grafik und Effekte gibt es superflüssige und konstante 60 Bilder pro Sekunde. Und das ist gut so.

Apropos gute Präsentation: Die wird auch den Spielern nicht versagt. Denn die eigens erworbenen Autos lassen sich praktisch beliebig designen und bemalen. Sticker, Schattierungen, Lacke - der Individualisierung wurden kaum Grenzen gesetzt. Der Stolz auf die Eigenkreationen kommt dann am besten in den rasanten Replay-Videos zur Geltung, die dank Myriaden von Kameraeinstellungsmöglichkeiten auf perfekte Autopornos getuned werden können.

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Need for Speed Shift (Electronic Arts/Black Box, PC, PS3, Xbox 360)

Mit dem Neustart der vielleicht erfolgreichsten, aber 2008 festgefahrenen Rennspielserie Need for Speed wurden das Tuner- und Untergrund-Image zurückgelassen. "Shift" will in die Gefilde der Simulatoren vorpreschen und nimmt das Genre dabei auf eine eigenwillige Art in Angriff. Die Rennatmosphäre im Cockpit ist greifbar, das Geschwindigkeitsgefühl berauschend und die Unfälle schlicht spektakulär. Der Umfang ist zwar nicht mit jenem von FM3 vergleichbar (nur 72 lizenzierte Autos und 50 Variationen von echten und fiktiven Rennstrecken), bietet aber mit Porsches und Bugattis und Stadtkursen in London und originalen Tracks wie Silverstone genug Adrenalin fürs Rennspielerherz.

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Ähnlich wie in FM3 wird man fast wie auf Schienen in die Rennspielkarriere eingeführt. NFS Shift hält sich allerdings nicht Kleinst und Kleinwagen auf, sondern wirft einen gleich in die Sportsitze der Mittelklasse. Fünf Bewerbsklassen gilt es zu überstehen, um schlussendlich in der World Tour mitmischen zu können.

Der Erfolg geht über die Fahrkünste und damit über die Erfahrungspunkte, die man dafür erhält. Das Bewertungssystem lässt es einem offen, welchen Fahrstil man bevorzugt. Punkte bekommt man nämlich nicht nur für Siege, sondern auch für besonders aggressives Verhalten oder elegante Manöver. So ist es möglich neue Autos und Rennen freizuschalten, ohne das Treppchen erklimmen zu müssen.

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Das persönliche Fahrverhalten schlägt sich bei den Mitstreitern nieder, die sich für Rempler und unfaire Aktionen rächen. Die künstliche Intelligenz scheint aber schon von vornherein etwas zu viel Testosteron abbekommen zu haben, zumindest wird einem im Pulk nie langweilig. Wirklich mitreißend ist das Geschehen aus der Fahrerperspektive. Dann sieht man zwar weniger von den hübschen Automodellen und den schnell gesammelten Dellen und Schrammen, taucht aber tiefer als in jedem anderen Spiel Rennatmosphäre ein.

Das Motorengeräusch schlägt in die Magengrube, die Beschleunigung lässt das Bild zittern und die Geschwindigkeit lässt die Peripherie verschwimmen. Den atmosphärischen Höhepunkt erlangt man im Tunnelblick wenn man zur Gänze auf die Bildanzeigen verzichtet und sich komplett auf die Armaturen in den penibel genau nachgebauten Cockpits verlässt. 

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Das Feeling ist da, die Rennen und Unfälle spektakulär und doch wandert Shift auf einem nicht ganz sicheren Pfad zwischen Wahrheit und Illusion. Bei dem Versuch Drifts, Karambolagen und Authentizität miteinander zu verbinden hat man auf reichlich Realismus verzichtet, was Simulationsfans enttäuschen könnte. Dadurch scheinen die Autos auf der Straße etwas mehr zu schwimmen, als man es von Forza Motorsport oder Gran Turismo gewohnt ist. Das Rennerlebnis rundherum ist dafür ohne Frage gewaltig.

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Colin McRae: DiRT 2 (Codemasters, PC, PS3, Xbox 360)

Vom reinen Ralley-Racer von einst ist fast nur noch der prominente Name geblieben. Die heutigen Stars sind Ken Block und Travis Pastrana und die Legenden der X-Games. DiRT 2 ist ein komplettes Offroad-Spektakel, bei dem Ralley-Sport neben Baja und Buggie-Wettrennen nur ein Aspekt von vielen ist.

Die Fahrzeugauswahl spiegelt den Kern der Thematik wieder. Vom Subaru bis zum Hummer darf man sich mit ausreichend stark motorisiertem Blech im Dreck wälzen und die schönen Aussichten genießen.

Foto: Codemasters

Dadurch ist DiRT extrem abwechslungsreich und wartet mit zahlreichen Bewerbsmodi, Fahrzeugtypen und Rennschauplätzen auf. Wie bei FM3 und Shift werden sowohl Anfänger als auch Profis nicht vernachlässigt und dürften im Karrieremodus rasch Fortschritte verzeichnen. Der Weg an die Spitze führt über vier Kontinente und schön schmutzige Strecken in Marokko, England, Japan, Brasilien und Co. bis hin zu den krönenden X-Games.

Das Spiel gewordene Menü, bestehend aus Wohnwagen und VIP-Area, trägt dabei zum guten Draufgänger-Feeling bei und führt spielerisch durch die Karriere. Begleitet wird man von allerlei Größen der Szene, die einen nicht nur in den Rennen begegnen, sondern auch über Boardfunk immer wieder ihre Meinung mitteilen.

Foto: Codemasters

Wie rücksichtslos man fährt bekommt man daher genauso über die Stimmungslage seiner Mitbewerber mit, wie über das eindrucksvolle Schadensmodell. Stoßstangen brechen herunter, Scheinwerfer zerbrechen und Autotüren fallen ab. Die Windschutzscheibe verdreckt und verschlammt und das Offroad-Stimmungsbarometer steigt mit jeder Runde kontinuierlich an. Die Rennpisten verführen mit abwechselnden Bodenbelägen, Sprüngen und Wasserlacken. Sowohl alleine gegen die Zeit, als auch gegen mehrere Mitspieler kann man sein Können unter Beweis stellen. Wie bei den vorangegangenen Titeln steht ein umfassender Online-Modus bereit.

Foto: Codemasters

Wer die Härte der ersten Colin McRae-Werke lieben gelernt hat, wird die zahlreichen Entgegenkommen und Hilfestellungen der Entwickler, um keine Frustmomente mehr erleben zu müssen, vielleicht nicht schätzen. So wirken sich Unfälle auf Wunsch immer noch auf die Fahreigenschaften des Vehikels aus, doch muss man sich nach den Rennen dank Gratis-Neuwagen nicht mehr um Reparaturen kümmern. Auch die allseits bewährte Rückspulfunktion wurde integriert.

Was für ein Offroad-Event fehlt, sind die Wettereffekte und spürbare Untergrunddeformationen, wie man sie etwa von Motorstorm kennt. In Summe besticht DiRT 2 allerdings durch ein überaus unterhaltsames und abwechslungsreiches Fahrerlebnis. Das Schadensmodell sucht seinesgleichen.   

Foto: Codemasters

F1 2009 (Codemasters, ab 19. November für Wii, PSP)

Wii-Spieler werden dieses Jahr nicht besonders reich mit Rennspielen beschenkt. Als Kuriosum ist Nintendos Konsole neben der PSP die einzige Plattform, die heuer eine Formel 1-Umsetzung ihr Eigen nennen kann - Versionen für PC, PS3 und Xbox 360 lassen noch bis 2010 auf sich warten.

Das offizielle Videospiel zur FIA Formel 1 Weltmeisterschaft 2009 lässt Fans in die Haut von Champion Jensen Button und seiner Konkurrenten Sebastian Vettel, Lewis Hamilton und Konsorten, sowie deren Rennboliden schlüpfen. Die Rennstrecken der Welt, rund um das neue Nachtrennen in Singapur, stehen bereit. Verschiedene Modi, darunter die komplette Formel 1-Saison und zusätzliche Arcade-Challenges dürfen gemeistert werden. Anpassbare Fahrhilfen machen Einsteigern das Leben leicht und Profis das Leben schwer. Ob der begrenzten Möglichkeiten der Wii kommt das Spiel in Sachen Realismus zwar nicht an vergleichbare Rennspiele auf PS3 und Xbox 360 heran, bietet aber ein leicht zugängliches Rennerlebnis mit einem Hauch Königsklasse.

Foto: Codemasters

Gran Turismo Portable (Sony/Polyphony Digital, PSP)

Im Portfolio der PSP finden sich im Gegensatz zum Angebot der Wii heuer zahlreiche Rennspiele wieder. Neben dem eben erwähnten und dem durchwegs spaßigen MotorStorm: Arctic Edge sticht insbesondere das lange ersehnte Gran Turismo Portable heraus. Mit über 800 lizenzierten Autos und 70 Streckenvariationen wird mehr als bei so manchem Heimkonsolen-Racer geboten. Für eine Handheld-Umsetzung stimmt die Steuerung und das Fahrerlebnis, der Glanz des großen Konsolenablegers hat offensichtlich abgefärbt.

Dem riesigen Umfang ist der rote Faden zum Opfer gefallen. Spieler können Fahrzeug, Modus und Strecke wählen, eine Art Karriere verfolgt man dabei allerdings nicht. Einziges Ziel ist es kontinuierlich Autos freizuschalten und zu sammeln. Motivation liefert dabei auch das Wissen, dass man seinen Fuhrpark 2010 auf das kommende Gran Turismo 5 übertragen kann. Kurz um: Das robuste Gerüst der Serie und die Qualität überzeugt, auch wenn das Ambiente zu wünschen übrig lässt. 

Foto: Sony

Rosige Aussichten für 2010

Der Ausblick auf das kommende Jahr zeigt, dass den Rennspielentwicklern nicht langweilig wird. Zunächst wird das mit großer Spannung erwartete "Gran Turismo 5" beweisen müssen, dass die fünfjährige Entwicklungzeit nicht bloß in die Grafik gesteckt wurde (siehe Bild) und das von Grund auf neu gebaute physikalische Gerüst auch spielerisch überzeugen kann.

Danach buhlt eine Reihe von Arcade-Racern um die Gunst der Spielerschaft. "Split Second" probiert es mit waghalsigen Highspeed-Rennen und Stunt-Einlagen auf Knopfdruck. "Blur" hingegen stellt das Mario Kart für Erwachsene und mischt mit Elektro-Schockwellen und allerlei anderen Effekten auf. "ModNation Racers" appelliert schließlich an die Kreativen und lädt zum kinderleichten Streckenbauen und -tauschen ein. Lassen Sie also den Fuß gleich am Gaspedal - aber bitte nicht bildlich verstehen.

(Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 8.11.2009)

Foto: Sony