Wien - Neues Wort, neuer Preis. Weil der Begriff "Baukultur" nur wenigen geläufig ist, Baukultur aber "watscheneinfach" sei, will der Verein LandLuft Menschen Lust auf Gestaltung ihres Lebensraumes machen. Der "LandLuft Baukultur-Gemeindepreis 2009", gemeinsam mit dem Österreichischen Gemeindebund ausgeschrieben, zeigt die besten Beispiele auf. 24 Gemeinden reichten ein, acht - Stadt Haag, Haslach an der Mühl, Hinterstoder, Kals am Großglockner, Langenegg, Schlierbach, Schrems und Zwischenwasser - wurden am Mittwoch in der Technischen Universität ausgezeichnet.

Am Beginn von baukulturellen Prozessen stehen meist ökonomische oder soziale Veränderungen, die Kommunen vor große Fragen stellen, wie drei Beispiele zeigen:

Was tun, wenn die einst größte Textilfirma der Region schließen muss und nur noch eine riesige Industriebrache bleibt? Die 2600-Menschen-Gemeinde Haslach wagte es und kaufte das zentrumsnahe Areal aus der Konkursmasse. Der Abbruch der alten Fabrik war kein Thema. "Man hätte den Haslachern damit ein Stück ihrer Identität genommen", sagt Altbürgermeister Norbert Leitner, der zusammen mit Architekt Josef Schütz die große Verwandlung des Mühlviertler Ortes initiierte. Heute befinden sich im und um das frühere Fabriksgelände Sozialbetriebe, ein Technologiezentrum, kulturelle und kommunale Einrichtungen.

Was tun, wenn der letzte Nahversorger zusperrt? Die Langenegger wurden selbst aktiv. Gründeten einen Verein, der den Dorfladen im neuen Mehrzweckgebäude der Bregenzerwälder Gemeinde betreibt und setzten damit den Anfang für einen Dorfentwicklungsprozess, der Langenegg zum Vorzeigeort in Sachen nachhaltiges Bauen und Wirtschaften macht.

Was tun, wenn die kleine Bergschule geschlossen wird und kleine Kinder pendeln müssen? Die Bewohner von Dafins, einer Bergparzelle der Vorarlberger Gemeinde Zwischenwasser, forderten den Schulneubau nicht nur vehement ein, sondern packten auch selber an, als für die Realisierung der geplanten Solarschule zu wenig Geld vorhanden war: "Stellt uns den Rohbau hin, alles andere machen wir." Die Ansage des Elternvertreters Leopold Drexel war der Beginn einer neuen Baukultur in Zwischenwasser.

Seit den 1980er-Jahren reden, planen, arbeiten Bürgerinnen und Bürger bei der Gestaltung des Dorfes mit. Ob bei der Lehmwand des Friedhofs, Alteneinrichtungen, Gemeinschaftshäusern - Bürger beteiligen sich. "Man diskutiert in einer Intensität wie selten wo", sagt Bürgermeister Josef Mathis. Für die ungewöhnliche Diskussions- und Baukultur gab es den Hauptpreis.

"Vorbildlich Gebautes und sinnvoll Gestaltetes entsteht meistens vor dem Hintergrund funktionierender Gemeinschaften", weiß Roland Gnaiger, Architekt und Jury-Vositzender. Baukultur fördere im Idealfall auch das zukünftige Gelingen sozialer, ökonomischer und ökologischer Räume.
Prämiert, dokumentiert

Eine Ausstellung, ein Symposium und ein Buch dokumentieren das baukulturelle Engagement der ausgezeichneten Gemeinden. Vom 5. bis 20. November ist "LandLuft Baukultur Gemeindepreis 2009" im Prechtlsaal der Technischen Universität Wien zu sehen. Anschließend geht die Dokumentation auf Bundesländer-Tour. Ebenfalls im Prechtlsaal findet am 5. und 6. November das Symposium "Baukultur machen Menschen wie du und ich!" statt.

Zur Ausstellung erscheint das gleichnamige Buch, das sich als Handbuch für alle, die in ihrem Umfeld aktiv werden möchten, versteht. (Jutta Berger/DER STANDARD, Printausgabe, 5. November 2009)