An großen Worten im kleinen saarländischen Landtag mangelte es am Donnerstag nicht. "Ein neues Kapitel in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik" werde jetzt in Saarbrücken aufgeschlagen, erklärte Peter Müller (CDU). Er ist der alte und auch wieder der neue Ministerpräsident des Saarlandes. Doch beim Regieren wird er sich gehörig umgewöhnen müssen: Vor der Landtagswahl vom 30. August hatte seine CDU die absolute Macht. Jetzt muss Müller diese gleich mit zwei Partnern teilen: Der FDP und den Grünen. Diese drei bilden die erste "Jamaika-Koalition" in einem deutschen Land.

Gut zwei Monate nach der Wahl lag war der Koalitionsvertrag am Donnerstag ausverhandelt. Für Müller ist er die einzige Chance, weiterhin das Land zu regieren. Die CDU hat bei der Wahl 13 Prozentpunkte verloren und ist somit zu schwach für jenes schwarz-gelbe Wunschbündnis, das im Bund regiert. Doch auch der Chef der Saar-Grünen, Hubert Ulrich, geht nicht ohne Bauchschmerzen in die neue Regierung. Bei den Grünen hatte es wütende Proteste gegen "Jamaika" gegeben. Viele beschimpften ihn als "Verräter" grüner Prinzipien. Als auch noch eine Morddrohung gegen ihn einging, bekam Ulrich Polizeischutz.

Immerhin konnte er für seine Partei einiges herausschlagen: Die Grünen bekommen das Umwelt- und das für sie so wichtige Bildungsministerium. Außerdem konnten sie die Abschaffung der Studiengebühren durchsetzen. Auch die FDP erhält zwei Ministerien: Wirtschaft und Gesundheit. Die CDU bekommt fünf Ressorts. "Ich glaube, dass jeder damit leben kann" , sagt Ulrich.

CDU und Grüne öffnen sich

Diese Premiere an der Saar wird deutschlandweit beachtet. Denn sie zeigt, dass mittlerweile fast jede Koalition denkbar ist. Vor allem CDU und Grüne haben ihre Optionen deutlich erweitert. Die Grünen leiden ja daran, dass sich rechnerisch ein rot-grünes Bündnis aufgrund der SPD-Schwäche nirgends mehr ausgeht. Die CDU hingegen muss immer öfter um eine alleinige schwarz-gelbe Mehrheit bangen. Das Bündnis im Saarland kam auch zustande, weil die Linke und Oskar Lafontaine ausgebremst werden sollten. Ursprünglich hätte es ja eine rot-rot-grüne Koalition geben sollen. Doch als Lafontaine ankündigte, sich selbst wieder stärker an der Saar engagieren zu wollen, stiegen die Grünen aus.

Über die Entwicklung im Saarland ist die Linkspartei zwar frustriert. Aber sie kommt anderswo an die Regierung: In Brandenburg wurde am Donnerstag der rot-rote Koalitionsvertrag unterschrieben. 20 Jahre nach dem Mauerfall regiert Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) lieber mit den Linken statt wie bisher mit der CDU. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 6.11.2009)