Wien - Die immer lauter werdende Kritik an den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) heizt auch den Streit in der Regierung an. ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka erneuerte am Donnerstag seine Forderung nach einem Bahn-Gipfel. Die zuständige Infrastruktur-Ministerin Doris Bures lehnt einen solchen "ÖVP-Privatisierungs-Gipfel" ab und fordert den Koalitionspartner auf, seine "Negativ-Kampagne gegen das wichtige österreichische Unternehmen ÖBB" einzustellen.

"Mit mir wird es keinen Privatisierungsgipfel geben und schon gar keine Zerschlagung und Privatisierung der ÖBB", betonte Bures in einer Pressemitteilung. VP-Verkehrssprecher Ferdinand Maier konterte mit dem Vorwurf der Wortspielerei: "Keiner will einen Privatisierungsgipfel, sondern die ÖVP steht für einen Sanierungsgipfel". Dieser wäre höchst notwendig, "um einmal die aktuelle Situation zu analysieren, die Hilflosigkeit der Bundesministerin und des Managements zu beenden und entsprechende Maßnahmen zu beschließen".

Handlungsbedarf bei Sonderregelungen

VP-Staatssekretär Lopatka sieht Handlungsbedarf vor allem bei "ungerechtfertigten Sonderregelungen bei Dienst- und Pensionsrecht, die Milliarden an Zusatzkosten verursachen", wie er am Donnerstag deponierte. Konkret geht es dabei um eine Änderung von ÖBB-Bezügen. Seit 2002 wird anstelle von individuellen Nebengebühren eine allgemeine "Nebenbezugspauschale" in die Gehaltsansätze der unkündbaren ÖBB-Mitarbiter eingerechnet. Diese Pauschale ist im Gegensatz zu den alten Gebühren "pensionswirksam" und würde die ÖBB-Pensionen bis 2056 laut Rechnungshof um 1,2 Mrd. Euro erhöhen. Das Thema ÖBB-Pensionen beschäftigt derzeit auch die Verwaltungsreform-Arbeitsgruppe, die am 9. Dezember wieder tagt. Lopatka und Bures sehen den jeweils anderen - bzw. die ÖBB selbst - in der Pflicht, Vorschläge für eine Lösung vorzulegen.

Lopatka und sein Parteikollege Maier wollen bei einem ÖBB-Gipfel auch die "mangelnden Kundenleistungen" der Bahn sowie die "Selbstbedienungsmentalität bei einzelnen Spitzengewerkschaftern und Aufsichtsräten" zur Sprache bringen.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass der frühere stellvertretende Aufsichtsratspräsident der ÖBB, Eduard Saxinger, für 2007 und 208 für die "Aufbereitung entscheidungsreifer Beschlüsse" und die "Erstellung von Rechtsgutachten" zusätzlich zu seiner Aufsichtsratsentschädigung 100.000 Euro bekam, ohne dass das im Aufsichtsrat beschlossen wurde. Ein Viertel der Sonderzahlung wurde der ÖBB-Dienstleistungsgesellschaft, die das Ganze abwickelte, von der Asfinag refundiert, bei der Saxinger Aufsichtsratsvorsitzender ist. Die Zahlung von 25.000 Euro wurde laut Asfinag am 7. 4. 2009 überwiesen und galt ebenfalls für 2007 und 2008 und für Leistungen, "die mit Aufsichtsrat und Vorstand vereinbart waren". Entgegen anderslautenden Medienberichten habe Saxinger auch "kein Büro bei der Asfinag". Im Aufsichtsrat am 1. Dezember werden die Honorare ein Thema sein, in der Woche vorher sind in im Personen- und im Güterverkehr die Kontrolleure mit der abermaligen Bahnreform befasst.

Umsetzung der Reform

Der ÖVP geht die Umsetzung der im Sommer beschlossenen Reform der ÖBB-Reform und der damit verbundene weitere Personalabbau viel zu langsam. Tatsächlich spießt es sich weiter bei der beschlossenen Zusammenlegung von Traktion und Verschub in einer neuen Produktionsgesellschaft. Strittig ist unter anderem, wem die Loks und Triebwagen (heute bei der Traktions GmbH) künftig gehören sollen - und damit die Höhe allfälliger neuer Abwertungen. Außerdem hat Brüssel Einwände gegen die Verlagerung der rund 7.000 Verschub-Mitarbeiter angemeldet bzw. die rund 130 Mio. Euro schweren Subventionen, die noch in diesen Bereich fließen. Am morgigen Freitag stehen wieder Gespräche mit der EU-Kommission an.

BZÖ Klubobmann Josef Bucher forderte, die ÖBB "aus der Geiselhaft der Gewerkschaft zu befreien". "Bei den ÖBB jagt ein Skandal den nächsten und die zuständige SPÖ-Infrastrukturministerin Bures bleibt tatenlos. Offenbar ist sie nicht in der Lage, sich gegen die rote Eisenbahnergewerkschaft rund um Wilhelm Haberzettl durchzusetzen. Wenn nicht bald gehandelt wird, richtet die Gewerkschaft das Unternehmen zu Grunde," meinte Bucher in einer Parteiaussendung. (APA)