Paris - Der frühere französische Staatschef Jacques Chirac will in seinem Prozess um Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vertrauensmissbrauch vor Gericht aussagen. "Ich werde natürlich selbst vor dem Gericht erscheinen" , sagte Chirac dem Sender Europe 1. Der Prozess gegen ihn soll voraussichtlich im kommenden Jahr beginnen.

Chirac steht im Verdacht, in seiner Zeit als Pariser Bürgermeister bis 1995 etlichen Freunden und Parteigenossen Gefälligkeitsjobs im Rathaus beschafft zu haben. Es ist das erste Mal, dass sich ein früherer französischer Staatschef vor Gericht verantworten muss. Die Ermittlungsbehörden hatten ein halbes Jahr nach Chiracs Ausscheiden aus dem Präsidentenamt im Mai 2007 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Als Staatschef war er vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt gewesen.

Verzicht auf Berufung

Die Staatsanwaltschaft Paris hatte im September eine Einstellung des Verfahrens gefordert. Die zuständige Richterin Xavière Simeoni beschloss jedoch, dass ein Strafverfahren wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Vertrauensmissbrauch gegen Chirac eröffnet werden solle. Die Staatsanwaltschaft verzichtete am Mittwoch darauf, gegen die Entscheidung der Richterin Berufung einzulegen. Nach Ansicht von Beobachtern wollte sie sich nicht dem Verdacht der Parteilichkeit aussetzen; die Staatsanwaltschaft ist an das Justizministerium gebunden. Chirac sagte, er wünsche nicht, "dass irgendjemand Berufung" einlege. "Ich habe mir nichts vorzuwerfen" , fügte Chirac hinzu. Er erwarte weder "Milde" noch "Nachsicht" . Allerdings weise er "die Analyse" der Richterin zurück. Er werde vor Gericht aussagen, so wie "jeder Bürger dazu verpflichtet ist". (AFP/DER STANDARD, Printausgabe, 6.11.2009)