Die Zustände an Österreichs Universitäten mögen katastrophal sein. Das ist aber nichts gegen den Zustand einer Politik, die diese Zustände herbeigeführt hat und nun, unsanft daran erinnert, indigniert darauf reagiert, dass im Lande eines viel beklagten Akademikermangels tatsächlich junge Menschen zwecks Behebung dieses Mangels an die hohen Schulen strömen. Die ÖVP ist beleidigt, dass die Studierenden die Folgen jener Reformen, denen die Zuspitzung der Verhältnisse ins Unerträgliche zu verdanken ist, nicht in der gebotenen Demut hinnehmen, sondern die Probleme artikulieren - und damit auch noch breite Zustimmung ernten. Und das, ohne den Amtsweg über die Hochschülerschaft zu beschreiten, mit deren Funktionären sich Regierungsmitglieder ein Gespräch gerade noch vorstellen können, sondern in frecher Selbstorganisation.
Der Transfer-Aktionist Pröll ließ die Studenten wissen, er halte nichts von "Aktionismus und Blockade" , als wäre die Berechtigung des Protests noch irgendwo umstritten. Bringt Aktionismus auch keine rasche Lösung, so gleicht er darin der Konfusion, die von der Regierung ausgeht. Der Wissenschaftsminister versuchte bisher den Eindruck zu erwecken, er hätte mit all dem kaum etwas zu tun, bestand dann aber darauf, dass die 34 Millionen, mit denen er die Demonstranten überraschend begönnerte, auch direkt bei ihnen im Hörsaal ankommen müssten. Wie man sich das vorzustellen hat, wusste er vermutlich selbst nicht. Weil die Besetzung des Audimax schon zwei Wochen dauert, also ein wenig der Hut brennt, gewährte er ihnen einen Termin für den 25.November - das ist in drei Wochen. Nur nicht hudeln! Vielleicht verläuft sich der Protest bis dahin. Müsste er nicht nach Brüssel, hätte es ruhig auch erst im nächsten Jahr sein können. Ein Wissenschaftsminister, von dem man, auch wenn 's viel verlangt ist, erwarten könnte, dass er weiß, wie Hochschulen funktionieren sollen, lädt dann für drei Stunden die üblichen sozialpartnerschaftlichen Verdächtigen und einige Experten zu einem "Dialog Hochschulpartnerschaft" ein, wo geklärt werden soll, "wie Hochschulen funktionieren sollen" . Endlich Licht!
Der Bundeskanzler hat zwar viel Verständnis für die Anliegen der Studierenden, will aber nicht mit ihnen reden, vermutlich weil er ihnen nur schwer erklären könnte, wie man gleichzeitig für freien Hochschulzugang und für Zugangsregelungen sein kann, die sich von denen der ÖVP aus Schönheitsgründen dadurch unterscheiden sollen, dass sie keine Beschränkungen sind. Wie das? Keine dummen Fragen.
All das kommt aus Parteien, deren Vertreter nach jeder verlorenen Wahl davon reden, jetzt müssten sie aber mehr unter die Menschen gehen, das Gespräch mit ihnen suchen und insbesondere zu den jungen Menschen Brücken bauen. Einen Teil der Jugend, jenen, der nicht an die Unis kommt, haben sie durch Vernachlässigung weitgehend schon an rechtsextremen Feschakpopulismus verloren. Wie es scheint, legen sie es nun darauf an, auch jenen Teil zu verlieren, der das Gespräch noch sucht. Der will aber auch, dass sich etwas verändert. Was nicht nur undankbar ist, sondern auch eine Zumutung. (Günter Traxler/DER STANDARD-Prinstausgabe, 6. November 2009)