Wer die Kreuze aus denSchulklassen verbannen will, der will demnächst wohl auch Kirchen abreißen lassen: "Wo will man aufhören?" Was der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng da an die Wand gemalt hat, wird vielen übertrieben erscheinen. Aus der historischen Erfahrung sind die Bedenken aber verständlich: Unter dem Vorwand, dass die Religion ausschließlich Privatsache sei und daher keinen Platz im öffentlichen Raum haben dürfe, hat Bismarck Bischöfe einsperren lassen. Hitler ließ Priester ermorden und Stalin Kirchen schleifen.

Gegner der Kirche fühlen sich durch das Europa-Urteil bestärkt, das das Anbringen eines Kreuzes in einer italienischen Schulklasse für Unrecht erklärt hat. Abgesehen davon, dass es dabei um eine andere Rechtslage als in Österreich geht, wo ein Staatsvertrag die Anbringung von Kreuzen in der Schule regelt: Das Kreuz erinnert den Gläubigen an seinen Herrn und an Frieden und Hoffnung, die er den Menschen vermitteln wollte. Kein Lehrer und kein Schüler wird es aber als staatlichen Auftrag zum Glauben interpretieren, sondern allenfalls als Denkanstoß, sich mit religiösen Symbolen und ihren Inhalten auseinanderzusetzen.

Bleibt die Frage: Ist es für manche tatsächlich eine unzumutbare Belastung, mit dem Symbol des Christentums konfrontiert zu sein? Wer diese Frage bejaht, sieht sich wohl ebenso von Wegkreuzen an öffentlichen Straßen und dem Geläut von Kirchenglocken im öffentlichen Raum herausgefordert. Auch dagegen ließe sich klagen. So abwegig sind die Befürchtungen des Bischofs also nicht. (Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 6. November 2009)