Theo Hibler: "Grundsätzlich ist Factoring für unterschiedlichste Unternehmensstrukturen und -phasen sinnvoll: Bei Handels-, Produktions- und Dienstleistungsbetrieben mit rasch steigenden oder saisonal schwankenden Umsätzen und hohen Außenständen, bei Unternehmensgründern sowie auch bei Umschuldungen."

Foto: Intermarket Bank

Viele Unternehmen tun es, Kleinunternehmen tun es jetzt auch: Sie verkaufen ihre offenen Forderungen an einen Factoring-Anbieter. Dieser treibt das Geld für sie ein, übernimmt also auch die Aufgabe, dem Schuldner gegebenenfalls Mahnungen zu schicken, weil die klassische Fremdfinanzierung durch einen Bankkredit für viele Betriebe und Start-Ups mit hohem Kapitalbedarf und hohem Risiko, nahezu unerreichbar geworden ist.

Welche Voraussetzungen dabei eine Rolle spielen, wo Vorteile und Risiken liegen und wie die Zukunft des Factoring aussehen könnte, erklärt Theo Hibler, Vorstandsvorsitzender der Intermarket Bank in derStandard.at-Interview.

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derStandard.at: Ist die Intermarket Bank die erste Bank Österreichs, die Factoring auch für Kleinunternehmen anbietet?

Theo Hibler: Ja, bisher gab es Factoring im österreichischen Markt erst ab einem Jahresumsatz von 500.000 Euro.

derStandard.at: Wie hoch muss der Jahresumsatz des Unternehmens sein?

Hibler: Unser Produkt - Factoring COMPACT - ist für Kleinunternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 300.000 und 700.000 Euro.

derStandard.at: Welche anderen Voraussetzungen müssen diese Unternehmen mitbringen?

Hibler: Grundsätzlich ist Factoring für unterschiedlichste Unternehmensstrukturen und -phasen sinnvoll: Bei Handels-, Produktions- und Dienstleistungsbetrieben mit rasch steigenden oder saisonal schwankenden Umsätzen und hohen Außenständen, bei Unternehmensgründern sowie auch bei Umschuldungen.

Factoring für Kleinunternehmen ist besonders für Neugründungen und Unternehmen mit Expansionsplänen interessant, da diese insbesondere die schnelle Liquidität für ihr Wachstum sowie auch die Sicherheit pünktlich bezahlter Rechnungen brauchen. Um unser Produkt in Anspruch nehmen zu können, sollte das Unternehmen selbst bereits seit sechs Monaten geschäftstätig sein, aber bei überzeugenden Business Plänen sind wir auch von Anfang an dabei.

derStandard.at: Welche Leistungen erbringt die Intermarket Bank zu welchen Konditionen?

Hibler: Wir bieten alle Factoringleistungen: angefangen vom reinen Finanzierungsfactoring - also dem Ankauf von Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen - über die Übernahme des Debitorenmanagements sowie des Mahn- und Inkassowesens bis hin zur Absicherung im Fall des Forderungsausfalls. 

Die Factoringkosten setzen sich aus einer Factoringgebühr einerseits und einer Verzinsung andererseits zusammen. Die Factoringgebühr variiert zwischen 0,1 Prozent und 1,5 Prozent der Forderungssumme je nach in Anspruch genommener Leistung. Die Verzinsung erfolgt zu banküblichen Kontokorrentzinssätzen für die Höhe der Finanzierung vom Tag der Finanzierung durch Intermarket Bank bis zum Eingang der Zahlung der Abnehmer des Kunden.

Wir bieten dem Kunden das gesamte Paket: Finanzierungsfactoring, Debitorenmanagement, Mahn- und Inkassowesen sowie Besicherung der Forderungen. Hintergrund dafür ist, dass vor allem kleine Unternehmen und Start-Ups über wenige Ressourcen verfügen und sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren müssen. Gleichzeitig ist es enorm wichtig, dass ein reibungsloser Ablauf des Forderungsmanagements gewährleistet ist.

derStandard.at: Wie hoch ist die Nachfrage bereits und wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Hibler: Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder Anfragen kleinerer Unternehmen und konnten insbesondere dieses Jahr eine Steigerung beobachten. Nicht zuletzt diese Tatsache hat uns zu dem neuen Produkt gebracht, mit dem wir seit Sommer am Markt sind. Es läuft gut an und das Feedback ist sehr erfreulich. Wir gehen daher von einer positiven weiteren Entwicklung aus.

derStandard.at: Ist eine Ausweitung des Angebots auf die CEE-Länder geplant?

Hibler: Derzeit ist das Produkt rein auf den österreichischen Markt zugeschnitten und noch sehr neu. In dem meisten unserer Tochtergesellschaften gibt es ein ähnliches Produkt schon länger, wobei hier nicht alle Forderungen eines Kunden angekauft werden, sondern nur bestimmte Umsatzteile.

derStandard.at: Was ist generell der Unterschied des klassischen Factorings zum klassischen Bankkredit?

Hibler: Einerseits gibt es beim Factoring eine rechtlich andere Konstruktion als beim Bankkredit da der Factor die Forderungen ankauft. Dies hat unter anderem zur Folge, dass der Factoringkunde in seiner Bilanz seine Forderungen mit der Bevorschussung des Factors saldieren kann und somit seinen Außenstand und seine Bilanzsumme verkürzt. Damit werden alle relevanten Eigenkapital-Ratios deutlich besser.

Zum anderen ist Intermarket Bank technisch ganz anders auf die Kunden eingestellt als eine Bank: Der Kunde übermittelt seine Rechnungsinformationen elektronisch an die Intermarket, die damit praktisch mit den Fakturenlauf des Kunden bevorschussen kann. Der Kunde erhält also - im Normalfall - 80% des Rechnunswertes inklusive Mehrwertsteuer sofort.

derStandard.at: Debitorenbuchhaltung und Mahnwesen werden unter anderem beim Factoring ausgelagert. Welche weiteren "Sorgen" kann das Factoring dem Unternehmen abnehmen?

Hibler: Zunächst muss sich der Factoringnehmer keine Sorgen mehr darüber machen, wann sein Abnehmer zahlt. Das bedeutet auch, dass er bei Verhandlungen mit seinen Kunden nicht nur über den Preis sondern beispielsweise auch über das Zahlungsziel verhandeln kann.

Durch die frühe Begleichung der Rechnungen können Factoring-Kunden auch ihre eigenen Schulden rascher begleichen, wodurch sie insbesondere Skonti bei ihren Lieferanten nützen können.
Schließlich kann sich, wer ganz sicher gehen will, auch die Forderungen für den Fall eines Ausfalls absichern lassen.

derStandard.at: Wie kann das Debitorenausfallrisiko verringert werden?

Hibler: Ganz einfach durch eine entsprechende Versicherung. Bei Factoring COMPACT und auch Exportfactoring ist diese Versicherung beispielsweise schon im Paket.

derStandard.at: Welches sind die größten Vorteile des Factoring für das Unternehmen?

Hibler: Factoring bringt zu allererst sofortige, umsatzdynamische Liquidität. Weiters kann durch Factoring die Eigenkapitalquote gesteigert und dadurch die Bonität und das Basel II-Rating verbessert werden. Gleichzeitig erlangt der Factoring-Kunde zunehmend Unabhängigkeit von der Zahlungsmoral seiner Abnehmer. Darüber hinaus ermöglicht die Auslagerung des Debitorenmanagements die Fokussierung auf das Kerngeschäft und ein professionelles Mahn- und Inkassowesen strafft das Forderungsmanagment - gerade in diesen Zeiten ist das wesentlich.

derStandard.at: Welche künftigen Pläne hat die Intermarket Bank - Factoring für Kleinstunternehmen zum Beispiel?

Hibler: Wir beobachten nach den vergangenen Turbulenzen an den Finanzmärkten und der schwierigen Wirtschaftslage eine langsame Beruhigung der Situation. Wir haben auf die spezielle Nachfrage reagiert und wollen sehen, wie sich das Produkt entwickelt. Darauf liegt in der kommenden Zeit unser Fokus. (Sigrid Schamall, 9.11.2009)