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Nach Lungentransplantationen werden Immunsuppressiva gegen die Abstoßung zu "Lebensmitteln".

Foto: AP/Al Hartmann

"Natürlich waren wir alle aufgeregt in jener Nacht", erinnert sich Walter Klepetko. "Das gesamte Team war also versammelt im AKH und wartete ungeduldig auf das Spenderorgan. Gleichzeitig verfolgten wir im Radio den Fall der Berliner Mauer, der sich zur gleichen Zeit abspielte. Und wenn ich heute zurückdenke, ist damals irgendwie auch für mich ganz persönlich eine Mauer gefallen. Immerhin habe ich mich drei Jahre lang intensiv auf diesen ersten Eingriff vorbereitet."

Damals, das war der 9. November 1989. Am Wiener AKH wurde erstmals in Österreich eine Lunge transplantiert. Chirurg war Universitätsprofessor Walter Klepetko, heute Leiter des Lungentransplantationsprogrammes an der klinischen Abteilung für Herz-Thoraxchirurgie am AKH.

In den vergangenen 20 Jahren wurden bereits mehr als 1000 Lungen in Österreich transplantiert, inzwischen werden gut 100 derartige Eingriffe im Jahr durchgeführt. Die meisten im Wiener AKH, ein kleinerer Teil an der Innsbrucker Universitätsklinik.

Sensationeller Erfolg

Der erste Patient, bei dem dieser Eingriff heute vor genau 20 Jahren durchgeführt wurde, war ein 55-jähriger Mann. Er lebte nach der Lungentransplantation noch viereinhalb Jahre, was für die damalige Zeit ein sensationeller Erfolg war. Und er starb nicht an den Folgen der Operation, sondern an einer Gehirnblutung. "Wir waren damals natürlich gut vorbereitet", erzählt Klepetko, "hatten von vorangegangenen Erfahrungen in anderen Ländern profitieren können."

Die weltweit erste Lunge wurde bereits im Jahr 1964 vom US-Chirurgen James Hardy transplantiert. Der Patient starb drei Wochen nach der Operation an den Folgen. Auch die nächsten Versuche brachten kein langfristiges Erleben, also legte man das Unterfangen zunächst weltweit auf Eis. Zu stark waren die Abstoßungsreaktionen - die Lunge hat im Vergleich zu anderen Organen einen hohen Anteil an lymphatischem Gewebe, was bei den Organempfängern sofort zu starken Immunreaktionen führt -, zu wenig wirksam die Medikamente zur Immunsupprimierung und zu unausgereift die medizintechnischen Hilfsapparaturen wie Herz-Lungenmaschine.

Dies änderte sich erst durch entsprechende Fortschritte Anfang der 1980er-Jahre. In Toronto begann man wieder Lungen zu transplantieren, erfolgreich, dann wagten es auch Kliniken in anderen Ländern. Das Wiener AKH gehörte damals zu den ersten zehn Kliniken weltweit, die Lungentransplantationen durchführten. Und inzwischen ist es in Bezug auf Erfolg und Anzahl der Operationen pro Einwohner weltweit führend. Heute beträgt die durchschnittliche Überlebensrate von im AKH transplantierten Lungenpatienten 83 Prozent nach einem und 65 Prozent nach fünf Jahren. "Dies mag vielleicht nach wenig klingen, aber erstens liegt, um einen Vergleich anzustellen, die Überlebensrate nach einem Jahr in Deutschland nur bei 70 Prozent, und zweitens akzeptieren wir im Gegensatz zu anderen Ländern auch viele Hochrisikopatienten", erläutert Klepetko. "Würde ich restriktiv selektieren, könnte ich auf 90 Prozent kommen. Aber wir wollen allen, die irgendeine Aussicht auf Erfolg haben, diese Chance auch geben."

Faszinierende Chirurgie

Der bisher älteste Patient war 70 Jahre, der jüngste sechs Monate alt. In letzterem Fall ist es freilich schwierig, ein von der Größe her passendes Organ zu finden. Doch wendet Klepetkos Team hier faszinierende Operationstechniken an: Entweder werden nur Lungenlappen transplantiert, was auch eine Lebend-Organspende insbesondere innerhalb der Familie möglich macht, oder die Lunge wird gesplittet: "Wir nehmen nur den linken Teil der Lunge, teilen diesen in oberen und unteren Lappen und setzen diese als linke und rechte Flügel ein. Damit bleibt uns noch der rechte Flügel, den wir einem anderen Patienten geben können."

Seitens der Chirurgie, meint Klepetko, werde in naher Zukunft kaum noch ein Verbesserung möglich sein, wohl aber seitens der Pharmazie, die an neuen Immunsuppressiva bastelt, die wirksamer und nebenwirkungsärmer seien. Und auch bezüglich der Verwendbarkeit von Spenderorganen tue sich etwas. Denn neben Blutgruppe und Größe müsse auch die Kondition der Spenderlunge passen. "Im Jänner starten wir am AKH eine Studie zur extracorporalen Lungenperforation", freut sich Klepetko: Die marode Lunge wird dem Spender entnommen, kommt in eine Art Kreiselpumpe, in der sie mit Sauerstoff versorgt und gleichzeitig mit Cortison, Antibiotika und Entwässerern auf akzeptable Kondition gebracht wird. "Vielleicht erhöhen wir damit die Organverfügbarkeit." Durch die Vernetzung mit Eurotransplant (Datenbank der größten EU-Länder) und Verträgen mit anderen Staaten wartet man in Österreich durchschnittlich 175 Tage auf eine neue Lunge, etwa sechs Prozent der Patienten auf der Warteliste sterben. Zur 20-Jahr-Feier der ersten Lungentransplantation findet am 13. 11. ein Symposium am AKH statt. (Andreas Feiertag, DER STANDARD Printausgabe, 09.11.2009)