Foto: DER STANDARD

Drei Publikationen historisch relevanter Fotografien spiegeln die Metamorphosen der Bevölkerung vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute wider. Gemeinsam betrachtet, ergeben sie eine einprägsame Dokumentation der sich stetig verändernden deutschen Gesellschaft.

Der Porträtfotograf August Sander (1867-1964) hielt das Antlitz der Deutschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts getreulich wie systematisch fest. Seine philosophische Motivation war von der Wertschätzung des Individuums an sich geprägt. Streng didaktisch porträtierte er Menschen in ihrer beruflichen Umgebung oder Privatsphäre. Beide Aspekte dokumentieren das oft fragile Sozialgefüge. Vom Duktus her sind seine Fotos durchwegs typisierend. Sehen, Beobachten, Denken ist eine kompakte Monografie seines prägenden Werkes.

Das journalistische Œuvre von Max Scheler (1928-2003) ist trefflich unter dem Titel Von Konrad A. bis Jackie O. subsumiert. Als Chronist deutscher Zeitungen und internationaler Magazine porträtierte er Staatsmänner, Politiker wie auch einfache Leute im Deutschland der Nachkriegszeit. Er visualisierte Veränderungen ökonomischer wie auch sozialer Strukturen: Wirtschaftswunder, Aufschwung, Bau der Berliner Mauer, Brandenburger Tor, Walhalla, BRD und DDR.

Gabriele und Helmut Nothhelfer (beide Jg. 1945) arbeiten seit 1973 an einer Art Langzeitstudie, die man als fotografisches Psychogramm der bundesdeutschen Gesellschaft bezeichnen könnte. Ausgehend vom Freizeitverhalten der Menschen, verfolgen die Nothhelfers die Verwandlungen der Stadt Berlin und ihrer Bewohner prozessartig. Ein Projekt von epischer Breite, das die gesellschaftlichen Veränderungen seismografisch erfasst - die Wende mit eingeschlossen. Ihre streng formalistische Arbeitsweise und den streng konzeptuellen, gesellschaftspolitisch motivierten Ansatz erläutert das Künstlerpaar folgendermaßen: "Geleitet werden wir nunmehr vor allem von dem magischen Raum, der durch den Blick und die Haltung der fotografierten Personen entsteht, ihrer Ausstrahlung: einer Spannung von Abstoßung und Anziehung, die uns (wie auch den Betrachter) einbezieht und zugleich ausschließt und uns so unseren Platz zuweist." (Gregor Auenhammer, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 07./08.11.2009)