Weltstar Klaus Maria Brandauer im Einsatz für einen stillen Helden des Widerstands gegen die Nazi-Barbarei.

Foto: Newald

Ein Gespräch über Heldenmut.

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Wien - Das kurze, heldenhafte Leben des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) erzählt vielerlei Beispielhaftes. Ein gelehrter Kopf lehnt sich mit kühlem Blut auf gegen die Kirchenpolitik der Nazi-Diktatur. Er beklagt nicht nur die Duldsamkeit der Mitläufer, die die Folgen der Rassenideologie (Stichwort: "Arierparagraph" ) geflissentlich ignorieren.

Schauspieler Klaus Maria Brandauer, der Bonhoeffers Märtyrertum morgen Sonntag mit einer Lesung im Wiener Burgtheater herausstreicht (Ich möchte glauben lernen, 20.30 Uhr), rühmt Weitblick und Courage eines Pfarrers, der seine Gewissensentscheidung mit dem Tod am Galgen der Nazi-Mörder am 9. April 1945 bezahlte: "Jemand wie er ist für mich ein Beispiel - ohne dass ich mich jemals über den Mut eines Mannes wie er erheben würde!"

Bonhoeffer, das intellektuelle Wunderkind der lutheranischen Intelligenz, bekennt sich zur realen Gegenwart Christi in der Kirche - und in der Welt. Der Antisemitismus ist ihm bereits vor Anbahnung der Selektionspolitik aus tiefstem Herzen zuwider. Bonhoeffers Weg des reflektierten Innehaltens führt ihn von der "Bekennenden Kirche" direkt in den Widerstand. Und irgendwann überspringt er wissentlich die Klippe: Unrecht muss gegebenenfalls auch gewaltsam bekämpft werden. Man muss sich, um sich der Nachfolge Christi auf dieser Welt würdig zu erweisen, versündigen können.

Seine Haltung ist daher kein Zufallsprodukt: Bonhoeffer erkennt, dass jedes Schuldbekenntnis nur als einzelnes, von jedem selbst zu verantwortendes, Gültigkeit und Gewicht besitzt. Die Verfolgung evangelischer Mitbrüder mit jüdischen Wurzeln öffnet ihm endgültig die Augen. Bonhoeffer, der als Theologe über die Sprache eines Dichters gebietet, proklamiert: Die Zeit der Innerlichkeit in Nazi-Deutschland ist vorüber. Wo Unrecht geschieht, wird Widerstand zur Pflicht: "Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist."

Was tun in schrecklicher Zeit?

Wie aber klärt man das großteils katholische Österreich über die Besonderheiten der evangelischen Gewissensbefragung auf? Brandauer winkt im Standard-Gespräch ab: "Das ist nichts, womit ein katholischer Priester nicht auch etwas anfangen könnte! Die Frage lautet doch viel allgemeiner: Was habe ich zu tun in der Gesellschaft, in der ich lebe - und welchen Anteil nehme ich an ihr? Was hat ein Pastor dazu zu sagen?"

Heißt das: Jeder Mensch hätte den Mut eines Pastors Bonhoeffer haben sollen - oder können? Brandauer: "Ich jedenfalls würde für mich die Hand nicht ins Feuer legen! Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Heute liegt ein alter Mann auf dem Perron der Münchner U-Bahn, er schreit und röchelt, und alle gehen unbeeindruckt weiter. Was hätte ich an der Stelle der Passanten getan? Bin ich auf eine solche Situation vorbereitet?"

Brandauer, der Weltstar, der zuletzt für Francis Ford Coppola vor der Kamera stand, schwärmt von der Qualität, die Bonhoeffers Schriften aufweisen: Erhalten geblieben sind dessen Korrespondenz mit der Familie und der Verlobten, weiters Gedichte, Notizen, Aufzeichnungen - von theologischen Schlüsselschriften wie Akt und Sein zu schweigen.

Briefe - für Junggeborene: jene dicht beschriebenen Zettel, die man früher kuvertierte und vorn mit einer bunten Marke versah! - gibt es heute kaum mehr. Damit bricht aber jenes Medium weg, in dem sich das bürgerliche Subjekt über seine innersten Regungen unzensuriert aussprechen konnte.

Brandauer stimmt zu: "Das Briefe-Schreiben ist ganz generell nicht mehr in der Mode." Wie würde er Bonhoeffers Schriftverkehr in der Haft beschreiben? "Stellen Sie sich vor: Sie stehen im Feuer der Not - das kann eine unglaublich obsessive Liebe sein, eine zurückgewiesene, ganz egal. Um wie viel mehr betrifft Sie das, wenn Sie gezwungen sind, über die Endlichkeit Ihres Lebens hinauszudenken."

Bonhoeffer hätte durchaus auf sein Überleben gehofft. Doch, so Brandauer: "Wenn man weiß, dass man umgebracht wird, und das sogar für notwendig hält, sogar die Gründe weiß, warum man nicht mehr für ,lebenswert‘ gehalten wird - das ist schon allerhand. Es beschämt einen." (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 07./08.11.2009)