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Verurteilte Drogenhändler in der Provinz Shaanxi im Jahr 2004 vor der Hinrichtung.

Foto: AP

So gibt es zumindest eine Diskussion über das Tabuthema Todesstrafe.

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Nachdem im August die Nordostprovinz Liaoning anordnete, alle Hinrichtungen nur noch über Giftinjektionen in mobilen Sanitätswagen auszuführen, folgt nun auch die Hauptstadt Peking. Von Jänner 2010 an wird es keine Erschießungen mehr geben, berichtete die Pekinger Jugendzeitung. Die Hauptstadt hat für Giftinjektionen eine Spezialstation aufgebaut, wo Beamte der drei mittleren Volksgerichte, die bisher Hinrichtungen durchführten, mit dem Verfahren vertraut gemacht würden. Nach Angaben der Global Times liegt die wie eine Medizinstation ausgestattete zweistöckige Anlage im Osten der Stadt bei Dougezhuang in der Nähe von der Haftanstalt Nummer eins, wo zum Tod Verurteilte untergebracht sind.

Juristen nennen humanitäre Erwägungen als ersten Grund, warum alle Provinzen die nach der Strafrechtsreform 1997 als alternative Hinrichtungsart eingeführte Giftinjektion durchsetzen wollen. Die Giftinjektion wirke schnell und sicher, mache den Verurteilten zuerst bewusstlos, bevor sie zum Tode führt. Für den Pekinger Rechtswissenschafter Qu Xinjiu sind Erschießungen eine grausame Qual und "Kugeln ein Racheakt gegenüber den Delinquenten".

Ungleiche Behandlung

Chinesische Medien kritisieren zudem die ungleiche Behandlung von Verurteilten. Der Fall zweier wegen Korruption zum Tode verurteilter hochrangiger Politiker, des Parlamentariers Cheng Kejie und des Ministers für Arzneimittelsicherheit, Zheng Xiaoyu, rief eine makabre Volksempörung hervor, weil sie in Peking die Giftspritze wählen durften. Der Unmut entzündete sich über dieses sogenannte "letzte Privileg" .

Ein dritter Grund, so zitiert Global Times den Justizexperten Liu Renwen, seien Aufwand und Kosten. Die Provinzen würden für Fahrzeuge als mobile "Injektionsstationen" umgerechnet 70.000 Euro zahlen. Die Anlage eines Hinrichtungsplatzes sei erheblich teurer und gegenüber dem Widerstand von Anwohnern in der Region kaum durchsetzbar.

Debatte über Kontrollen

Die begonnene landesweite Abschaffung der Erschießungen hat auch die Debatte über Einschränkungen und bessere Kontrollen der Todesstrafe belebt. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Massenprozesse nach den ethnischen Unruhen in Xinjiang oder Tibet und der Verfahren gegen Bandenkriminalität in Chongqing und in Südchina wollen Juristen Standards nicht nur für die Vollstreckung von Todesurteilen, sondern auch für die Verurteilung durchsetzen. Seit 2007 müssen alle in China verhängten Todesurteile dem Obersten Gerichtshof zur letztmaligen Prüfung vorgelegt werden.

Amnesty International, das die Zahlen der öffentlich bekanntgegebenen Hinrichtungen zusammenträgt, kam für das Jahr 2008 auf 1718 Exekutionen. "Mindestens 7003 Menschen" wurden zum Tod verurteilt. Die wirklichen Zahlen sind höher. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2009)