Wien/Tripolis - Über zwei Dinge sind sich die ausländischen Geschäftsleute in punkto Libyen einig. Das Land mit den 14-größten Erdölreserven der Welt kann einen schnell reich machen. In Ungnade sollte man aber besser nicht fallen. Von letzterem weiß vor allem die Schweiz zu berichten.

Im Sommer 2008 randalierte Motassim Bilal ("Hannibal" ) al-Gaddafi, ein Sohn von Staatsführer Muammar al-Gaddafi, im Genfer Nobelhotel Président Wilson. Er und seine Frau wurden verhaftet. Obwohl sie wieder umgehend freigelassen wurden, tobt seither ein diplomatischer Krieg zwischen den beidenStaaten.

Zwei in Libyen verhaftete Schweizer Geschäftsleute dürfen das Land seit einem Jahr nicht verlassen. Gaddafi forderte zuletzt vor der UN-Vollversammlung die Aufteilung der Schweiz. Der Handel zwischen den beiden Staaten ist eingebrochen. Und erst Mittwoch kündigte Bern ein Normalisierungsabkommen mit Tripolis auf.

Wer sich nicht abschrecken lässt, der kommt am Staat nicht vorbei. Einige Fonds und die staatliche Ölgesellschaft dominieren die Wirtschaft Libyens.

Zu den beiden spannendsten Fonds zählt die Libyan Investment Authority (LIA). Die LIA verwaltet ein geschätztes Vermögen von über 70 MilliardenDollar. Sie wurde 2006 gegründet und managt die Auslandsinvestitionen des Landes. Die für Libyen interessantesten Sektoren für Beteiligungen sind die Bauindustrie, Pharmazeutik und Telekommunikation. Die LIA ist aber auch an Fiat sowie UniCredit beteiligt. Die avisierte Übernahme von zehn Prozent der Wienerberger-Aktien scheiterte aber deutlich.

Am Inlandsmarkt ist der Economic and Social Development Fund (ESDF) der zentrale Akteur. Die Ministerien übertrugen dem ESDF Eigentum an über 100 Staatsunternehmen, der ESDFsoll sie effizienter verwalten und an ausländische Investoren verkaufen. Allerdings sind die libyschen Staatsbetriebe marod, Auslandinvestitionen fließen nur spärlich ins Land. Größter Investor sind die Arabischen Emirate. Interessant ist die Eigentümerstruktur des ESDF: Offiziell gehört der Fonds libyschen Familien, die ihre Anteile mittels Zertifikat verbrieft bekommen.

Die libysche Wirtschaft basiert schließlich auf den Aktivitäten der National Oil Corporation (Noc). Die 1970 gegründete Noc kontrolliert durch den Erdölverkauf mehr als 90 Prozent der Deviseneinnahmen des Landes. Zählt man noch die Einnahmen aus dem Erdgasgeschäft dazu, verwaltet das Unternehmen 70 Prozent des libyschen Bruttoinlandproduktes. Der Verfall des Ölpreises hat Libyen zwar getroffen, das Jahr 2009 läuft aber besser als erwartet. Für das Budget wurde ein Ölpreis von 35 Dollar je Barrel kalkuliert. Das Barrel kostet derzeit 75 Dollar. (szi/DER STANDARD, Printausgabe, 7.11.2009)