Berlin - Die deutschen Regierungsparteien Union und FDP wollen eine zentrale Gerichtsbarkeit für Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz aufbauen. Politiker von Union und FDP begründeten das Vorhaben mit Problemen, die zuletzt in Zusammenhang mit dem umstrittenen Luftangriff auf Tanklaster in Afghanistan deutlich geworden seien. Dieser von der Bundeswehr angeforderte Angriff galt offenbar nicht nur den Lastern, sondern auch den Menschen in ihrer Umgebung.

Das Verfahren wegen des Luftschlages in Afghanistan belege, dass die deutsche Justiz schlecht aufgestellt sei. "Wir brauchen dringend eine zentral zuständige Staatsanwaltschaft und Gerichtsbarkeit für Auslandseinsätze der Bundeswehr", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" vom Samstag. Diese solle am Sitz des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam angesiedelt werden. "Die deutschen Soldaten erwarteten zu Recht, "dass Richter und Staatsanwälte mit hinlänglichem Spezialwissen die Vorwürfe beurteilen".

"Zumutung für die Soldaten"

Auch der Unions-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl (CSU) sagte der Zeitung, es werde rasch eine zentrale Zuständigkeit für Strafverfahren gegen Soldaten geben. "Die heutige Rechtslage ist eine Zumutung für die Soldaten, die in Afghanistan unter Feuer stehen", argumentierte der CSU-Politiker. Dagegen wandte sich der verteidigungspolitische Sprecher der Linken, Paul Schäfer, gegen eine gesonderte Militärgerichtsbarkeit.

Unterdessen berichtete das Magazin "Focus", der umstrittene Luftangriff Mitte September auf entführte Tanklaster nahe des afghanischen Kunduz habe ausdrücklich auch den dort versammelten Menschen gegolten. Demnach fragten die Piloten der von dem Bundeswehroberst Georg Klein angeforderten US-Bomber mehrfach nach, welches Ziel getroffen werden solle, die Laster oder die dort versammelten Menschen. In dem geheimen NATO-Untersuchungsbericht zu dem Angriff heißt es dazu nach "Focus"-Informationen, beide Ziele seien von der Bundeswehr als wichtig angegeben worden. Offenbar hätten auch bei den Lastern ausgemachte Taliban-Anführer getötet werden sollen.

"Man hätte zivile Opfer vermeiden können", sagte der Grünen-Politiker und frühere UNO-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Tom Koenigs, der "Mitteldeutschen Zeitung" vom Samstag. Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, Oberst Ulrich Kirsch, bezeichnete die Kampfhandlungen in Afghanistan erneut als "Krieg". Ein Beleg dafür sei die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen, die Unterlagen zu dem Luftangriff auf die Tanklaster der Bundesanwaltschaft zu übergeben, sagte Kirsch der "Bild"-Zeitung.

Zuvor hatte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Verständnis dafür geäußert, dass die Soldaten vor Ort die Lage in Afghanistan als "Krieg" beschreiben. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) unterstützte in der "Bild"-Zeitung diese Einschätzung. Er verlangte "mehr Ehrlichkeit" in Zusammenhang mit dem Bundeswehr-Einsatz.

Dem NATO-Bericht zufolge gab es bei dem Angriff am 4. September zwischen 17 und 142 Tote und Verletzte, darunter offenbar auch Zivilisten. Klein hatte nach der Entführung von zwei Tanklastwagen den Luftangriff durch US-Flugzeuge mit der Begründung angefordert, die Fahrzeuge könnten für einen Anschlag missbraucht werden. Dabei verstieß er offenbar gegen wichtige Einsatzregeln. (APA)