Wer im neuen schwarz-gelben Koalitionsvertrag große Worte zur "Föderalismusreform" sucht, wird enttäuscht. "Die Beschlüsse der unabhängigen Föderalismuskommission gelten fort" , heißt es auf Seite 58. Föderalismus wird nicht das große Thema von Union und FDP in den kommenden vier Jahren sein. Vielmehr hofft man auf geräuschloses Funktionieren desselben. Denn mit der Neubeziehung zwischen den 16 deutschen Ländern und dem Bund hat sich davor bereits die große Koalition jahrelang beschäftigt - um nicht zu sagen: gequält. Herausgekommen ist die "Mutter aller Reformen" , wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel, die übrigens in Regierungskreisen selbst "Mutti" genannt wird, einmal formulierte.

Zu teuer, nicht effizient genug, äußerst zeitraubend - so beschrieben viele deutsche Politiker das System, bevor sie sich an dessen Reform wagten. Im Sommer 2006 war es dann so weit: Die Föderalismusreform I war ausverhandelt. Diese brachte den Deutschen die umfassendste Änderung der Verfassung seit Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 und eine Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern. So sank die Zahl der Bundesgesetze, die auch den Bundesrat passieren müssen, von 60 auf 30 Prozent.

Bund mischt mit Geld mit

Die Länder erhielten mehr Kompetenzen in den Bereichen Schule, Universitäten und Beamtenbesoldung. Das bedeutet aber nicht, dass jedes Land nun bei der Bildung machen kann, was es will. Im Gegenteil: Es kann zwar Lehrpläne gestalten, aber der Großteil des Geldes für diesen Bereich kommt vom Bund. Er mischt also doch mit.

Recht frei hingegen sind die Länder bei den Ladenöffnungszeiten. Doch auch der Bund bekam im Gegenzug mehr Kompetenzen, etwa bei Befugnissen des Bundeskriminalamtes zur Terrorabwehr.

Ein heikles Thema aber sparte sich die große Koalition bis zum Schluss auf: Die Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern. Dieser Teil, Föderalismusreform II genannt, trat erst im Wahljahr 2009 in Kraft.

Kernstück ist eine sogenannte "Schuldenbremse" . Um die enorme Schuldenlast Deutschlands abzubauen, wird in der Verfassung festgeschrieben, dass Bund und Länder ab 2011 die Neuverschuldung so zurückfahren, dass die Länder ab 2020 überhaupt keine neuen Kredite mehr aufnehmen.

Theoretisch finden das die deutschen Ministerpräsidenten auch gut. Doch nun, wo die neue schwarz-gelbe Regierung wild entschlossen ist, trotz leerer Kassen die Steuern zu senken, werden sie unruhig. Denn die Länderfürsten fürchten, dass ihnen die Luft abgeschnürt wird. Da sie die Steuersenkung mitfinanzieren müssen, gleichzeitig aber zu sparen haben, sehen sie ihre Spielräume im Land schwinden. Die armen Länder Berlin und Sachsen-Anhalt erwägen schon eine Klage gegen Steuersenkungen vor dem Verfassungsgericht. Und so mancher in Berlin spekuliert schon damit, dass die "Schuldenbremse" wieder fällt. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2009)