Wien - Am Weg zur Wiener Stadthalle durchschritt man ein riesiges Ö3-Logo. Mütter und Väter reisten in Scharen mit ihren Kids an, im Saal wippten die Damen und Herren von der Exekutive im Rhythmus, und an den Bars wurde gleich viel Limo wie Bier verkauft - ein Abend für die ganze Familie. Man kann sagen, Punkrock ist in der gesellschaftlichen Mitte angekommen. Wie man es bewertet, dass ausgerechnet die Polizei als Vertreter des Systems und damit als potenzieller "Feind" ein Punkrock-Konzert wohlwollend abnickt, bleibt jedem selbst überlassen.
Green Day, die Auslöser dieser fröhlichen Zusammenkunft, die am Freitagabend vor 12.000 Besuchern ein gut dreistündiges Konzert gaben, hüpfen diesbezüglich zufrieden zwischen den Stühlen. Einerseits veröffentlicht die 1987 gegründete US-Formation politische Konzeptalben und gilt als links und grün. Andererseits gleichen ihre Live-Auftritte Faschingspartys in All-inclusive-Clubs.
Das Animationsprogramm war entsprechend bunt, dabei aber erstaunlich wenig abwechslungsreich. Eigentlich ein Trio, ließen sich Green Day live von einigen Mietmusikern unterstützen, was unter anderem einige verbotene Saxofon-Soli zeitigte! Wo ist die Polizei, wenn man sie braucht?
Die Band holte sich knuddelige Kids aus dem Publikum, ließ diese die Saalregie übernehmen, choreografierte einige Publikumsköpfler und holzte ansonsten vorschriftsmäßig mit den berühmten drei Akkorden durch ihr Programm. Auch hier war für jeden etwas dabei: Billie Joe Armstrong, der bunte Kopf und Frontmann, kündigte schon zu Beginn an, es würde "fucking crazy" werden.
Ganz so kam es dann nicht, aber wenn man für jedes von ihm in den Saal gebrüllte "Vienna!" einen Euro bekommen hätte, wäre es für manch einen Besucher ein Gratiskonzert geworden. Zu reichlich Geböller aus dem Fach der Pyrotechnik gab man Gummi und ackerte sich durch Stücke wie 21st Century Breakdown, 21 Guns oder (als erste Zugabe) American Idiot.
Dort angelangt, war dann bereits einiges überstanden. Im Versuch, möglichst allen zu gefallen, die Kaulquappen ebenso zu begeistern wie deren Erziehungsberechtigte, unternahm die Band nämlich so manchen Abstecher: Sie spielte Hey Jude von den Beatles genauso an wie Highway To Hell von AC/DC oder Satisfaction von den Rolling Stones. Harte Suppe!
Möglicherweise diente man sich da über Gebühr an, aber egal: Der Saal hatte seine Freude! Man sah große leuchtende Kinderaugen und Eltern beim Blick auf die Uhr. Das Bier schmeckte wie schon einmal getrunken, die Garderoben waren gratis, es war gut und schön und lang und weilig. Sehr gesittet. Für jeden etwas, ein bisserl zu viel vielleicht, aber jedes Volksfest hat ein Ende. In diesem Sinne. (Karl Fluch / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.11.2009)