Autor Péter Esterházy beehrte am Freitag die Uraufführung seiner "Harmonia Caelestis" in Wien mit seiner Anwesenheit.

Zur Person:
Der ungarische Romancier Péter Esterházy (59), 2004 Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, gehört mit seinen spielerisch zusammengewürfelten Roman-Konvoluten zu den wichtigsten Autoren Osteuropas. Einem honorigen Adelsgeschlecht entstammend, erlebte er die Wechselfälle der Zeitgeschichte am eigenen Leib. "Harmonia Caelestis" erschien im Jahr 2000.

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Ronald Pohl sprach mit Esterházyüber Tücken und Glück des Theaters.

Standard: Wie schmerzlich muss ein Autor leiden, der sich auf die Bühne gebracht sieht? Der Regisseur und gelernte Bühnenmusiker David Marton hat aus Ihrem vielhundertseitigen Roman "Harmonia Caelestis" ein Theater-Potpourri entwickelt. Das Buch schildert die Figur Ihres Vaters als panoptischen Wanderer durch die Zeiten und Stillagen. Marton ist gebürtiger Ungar. Hat er seine Sache gut gemacht?

Esterházy: Ich habe keine Proben gesehen. Ich kannte nur David Martons Inszenierung des Wozzeck an der Volksbühne Berlin. Diese Inszenierung war gleichermaßen seine Eintrittskarte. Ich sagte ihm: Du machst, was du willst. Mach etwas Neues aus meiner Harmonia Caelestis! Ich dachte, er würde, von meinem Buch ausgehend, eine Vision entwickeln - er benutzt den Roman und lässt ihn dann liegen. Das war aber nicht der Fall. Der Roman war absolut präsent: eine weitere Überraschung für mich.

Standard: Eine freudige?

Esterházy: Der Abend wäre auch so gut gewesen.

Standard: Sie haben einmal geäußert: Einen Text in Bewegung zu setzen, das gelte so viel, wie eine Revolution vom Zaun zu brechen.

Esterházy: Ich habe mich dabei eines Zitats bedient. Der Satz stammt von dem französischen Semiologen Roland Barthes.

Standard: Wie ist es nun, wenn das Theater einen Text von Ihnen in Bewegung setzt?

Esterházy: Ich möchte mich auf der Bühne nicht zurückerstattet bekommen. Ich möchte mich nicht finden. Das Schlimmste ist, wenn man sich einem Buch mit Achtung nähert. Mit Achtung kann man nichts anfangen. Achtung muss man Tanten entgegenbringen, aber keinem Buch. Natürlich hatte Marton gegenüber meinem Text Achtung, aber nur in einem ersten Schritt. Dann hat er das alles vergessen und nur an den Raum im Kasino am Schwarzenbergplatz gedacht. Nur das zählt, was hier geschieht. Und was hier geschah, fand ich grandios.

Standard: Ihre Begründung?

Esterházy: Er hat etwas über das Wesen meines Romans in Erfahrung gebracht. Er hat sprachliche Nähe erzeugt, die Welt der Esterházys gezeigt mit allen ihren traurigen und lächerlichen Momenten. Wie er mit Musik umgeht, ist konsequent und radikal.

Standard: Welche Beziehungen unterhalten Sie zum Theater? Dieses Genre müsste Ihrer Neigung zum Zitat, zur ironischen Brechung doch entgegenkommen.

Esterházy: Ich selbst habe drei, vier Stücke geschrieben. Das Verfertigen von Stücken war für mich immer ein großes Vergnügen: Es hat mir mehr Freude bereitet als das Schreiben eines Romans.

Standard: Wie das?

Esterházy: Ein praktischer Grund liegt in der Teilung der Verantwortung. Beim Romanschreiben bist du, ohne jedes Selbstmitleid gesprochen, allein. Beim Stückeschreiben kannst du ein auftauchendes Problem lösen. Beim Roman ist das viel komplizierter: Da stellst du erst nach 200 Seiten fest, dass ein Problem, das du übergangen hast, wieder auftaucht - dass du es ganz einfach nicht bewältigt hast. Und selbst wenn du es gelöst hast, kannst du dich nicht freuen. Am Theater kannst du dich sofort freuen, du kannst sagen: Du warst richtig gut! Da ist das Schreiben sofort eine fröhlichere Wissenschaft als sonst. Hinzu kommt, dass es einen großen Unterschied macht, ob ein Text auf dem Papier steht oder ob er den Mund eines Schauspielers passiert.

Standard: Das Theater belohnt für die Mühsal des Schreibens?

Esterházy: Man sammelt die merkwürdige Erfahrung, dass ein Satz auf dem Papier sehr wichtig ist - und gesagt zerfällt er zu nichts. Umgekehrt beginnt ein auf dem Papier ganz grauer Satz im Mund des Vortragenden plötzlich zu leuchten. Ich bin kein Theatermensch. Wäre ich das, würde ich rigoroser an dieser Leuchtkraft arbeiten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.11.2009)