Gemessen an den bisherigen Mitteilungen der Sicherheitsbehörden zum Fall der Entführung von Natascha Kampusch ist das, was der Grazer Oberstaatsanwalt Thomas Mühlbachler nun bekanntgab, eine kleine Sensation. Zur Erinnerung: Alles überprüft, nichts Verdächtiges gefunden, hatte es bisher immer geheißen, wenn es um mögliche Komplizen oder Mitwisser gegangen ist. Die Ermittlungen waren bereits eingestellt.

Jetzt ist plötzlich von einem Verdacht der Freiheitsentziehung gegen einen früheren Bekannten und Geschäftspartner des Entführers die Rede. Und: Man warte dringend auf mögliche, nicht näher genannte Beweise aus Deutschland.

Für den vom Zeugen zum Beschuldigten mutierten Betroffenen gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Der Umstand, dass er den Entführer kannte und bei ihm auch einmal ein junges Mädchen gesehen hatte, kann ihm nicht vorgeworfen werden. Und dass er nicht gern mit Medien spricht, ist mehr als verständlich, wird er doch seit langem nicht nur zwischen den Zeilen immer wieder als möglicher Mitwisser ins Spiel gebracht.

Offene Fragen gibt es nicht erst seit gestern. Zuerst verhinderten Ermittlungspannen eine schnelle Aufklärung, und dann gab es parteipolitisch gefärbte Versuche, die Pannen zu vertuschen. Polizei und Justiz haben sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der jetzige Anlauf ist wohl die letzte Chance, die Causa nach mehr als drei Jahren endlich zu einem klaren Ende zu bringen. (Michael Simoner/DER STANDARD-Printausgabe, 9.11.2009)