Brüssel/Wien - Der grüne Europasprecher Alexander Van der Bellen befürchtet, dass die im neuen EU-Vertrag von Lissabon vorgesehene Aufwertung von National- und Bundesrat bei der Europapolitik nicht stattfindet, weil die innerstaatliche Umsetzung nicht rechtzeitig umgesetzt werden kann: "Der Vertrag wird am 1. Dezember oder spätestens am 1. Jänner 2010 in Kraft treten. Aber von der Bundesregierung sind keinerlei Initiativen bekannt", klagt Van der Bellen im Gespräch mit dem Standard.
Die Zeit dränge, "wir verlangen Verhandlungen", sagt der Grüne. Lissabon erlaube, "mehr Licht ins Dunkel der Regierungen zu bringen. Es gibt mehr Rechte auf Information, es muss mehr Direktkontakte geben", erklärt er. Dafür seien viele rechtliche Anpassungen nötig, nicht nur einfachgesetzliche, sondern auch Verfassungsbestimmungen und Verordnungen. Diese könnten aber nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament beschlossen werden. "Da wir die einzige Oppositionspartei sind, die für den Lissabon-Vertrag ist, gehe ich davon aus, dass die Regierung Interesse haben müsste, mit uns zu sprechen", wundert er sich. In einem Sieben-Punkte-Katalog fasst Van der Bellen die wichtigsten Forderungen seiner Partei zusammen: So sollten EU-Abgeordnete und EU-Kommissare Rederecht im Nationalrat und in den Ausschüssen bekommen; es müsse Klagsrechte für National- und Bundesrat bezüglich der Gesetzesvorhaben der Regierung geben. Der Lissabon-Vertrag sehe außerdem vor, dass man im EU-Ministerrat in vielen Bereichen vom Einstimmigkeitsprinzip zu Mehrheitsentscheidungen übergehe. Damit fielen aber Veto-Rechte der Regierung weg, erläutert der Abgeordnete. Daher seien Regelungsvorbehalte des Parlaments unabkömmlich.
Der Grüne beklagt, dass die Koalitionsparteien bereits bisher im Hauptausschuss bei EU-Materien alle Vorschläge der Opposition abgeblockt hätten. Weiters wäre es notwendig, dass die Fachausschüsse sich viel früher als bisher mit EU-Initiativen beschäftigen könnten. Die Regierung müsse gezwungen werden, ihre Positionen in Brüssel in schriftlicher Form dem Parlament zur Verfügung zu stellen, sagt Van der Bellen. Und: Es müsse klargestellt werden, dass Militäreinsätze nur auf Basis von UN-Beschlüssen erfolgten. (Thomas Mayer, DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2009)