Innsbruck/Wien - Einen internationalen wissenschaftlichen Wettlauf konnten Innsbrucker Physiker nun für sich entscheiden: Ihnen ist es erstmals weltweit gelungen, ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC) aus dem Element Strontium (Sr) zu erzeugen. Wie das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) mitteilte, gelang der Durchbruch mit dem bisher kaum beachteten Isotop "84Sr".

Exotischer Materiezustand

Die Innsbrucker Quantenphysiker um  Florian Schreck und Rudolf Grimm zählen zu den weltweit führenden Gruppen auf ihrem Gebiet. So haben sie 2002 das weltweit erste BEC aus Cäsiumatomen erzeugt. Schon seit einigen Jahren nutzt die Wissenschaft den von Albert Einstein und Nath Bose 1924 vorhergesagten exotischen Materiezustand, um grundlegende Eigenschaften der Materie zu erforschen. Als BEC verlieren Teilchen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) quasi ihre Identität und beginnen im Gleichschritt zu funktionieren. BEC wird als eigener Zustand der Materie - neben gasförmig, fest oder flüssig - angesehen, seine erstmalige Erzeugung im Jahr 1995 wurde 2001 mit dem Nobelpreis gewürdigt.

Nun gelang es dem IQOQI-Nachwuchsforscher Florian Schreck und Kollegen, das weltweit erste BEC aus Strontium-Atomen zu erzeugen - obwohl sie ihre Experimente viel später begonnen hatten als ihre internationalen Konkurrenten. "Wir haben auf das richtige Pferd gesetzt und zuletzt Tag und Nacht durchgearbeitet, um das BEC zu realisieren", erklärte Schreck in einer Aussendung.

Im Gegensatz zu ihren Kollegen, die vor allem jene beiden Isotope des Strontiums verwendeten, die in der Natur besonders häufig vorkommen (86Sr, 88Sr), probierte es Schreck mit dem sehr seltenen Isotop 84Sr - und war damit erfolgreich. Nur zwei Wochen nach den Innsbrucker Physikern gelang es einer US-Forschungsgruppe ebenfalls, ein BEC aus Strontiumatomen zu erzeugen. Beide Forschungsarbeiten wurden jetzt gemeinsam in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.

Viel größere Kondensate

Strontium ist für die Wissenschafter aus einem Grund so interessant: Das Element zählt zu den atomaren Zwei-Elektronen-Systemen, die Atome besitzen also zwei Außenelektronen (Valenzelektronen). Während die meisten Atome mit nur einem Valenzelektron längst erfolgreich kondensiert wurden, gab es BEC von Zwei-Elektronen-Systemen bisher nur aus Ytterbium (2003) und Kalzium (2009). Aus Strontiumatomen können allerdings sehr viel größere Kondensate erzeugt werden.

Der Grund dafür ist, dass das Strontium-Isotop eine effiziente Laser-Kühlung ermögliche und auch die Eigenschaften der Wechselwirkungen zwischen den Atomen ideal sei, wie Grimm betonte. So konnten die Innsbrucker Wissenschafter in nur wenigen Wochen ein fünf Mal so großes Kondensat (rund 150.000 Atome) mit Strontium erzeugen als jene Kollegen, die seit Jahren mit Ytterbium arbeiten. (red/APA)